papst, franziskus
© Osservatore Romano/dpaWirklich eine "weiße Soutane"? Eher nicht!
„Die Kardinäle haben einen Papst vom Ende der Welt gewählt“, sagte der neue Papst Franziskus, bevor er der jubelnden Menge auf dem Petersplatz den Segen „Urbi et Orbi“ spendete. Doch wer ist dieser Jorge Mario Bergoglio, der Mann, auf dem nun die Hoffnungen aller gläubigen Katholiken ruhen?


Den Argentinier hatte am Ende nur noch wenige Experten auf der Rechnung. Zu alt sei er mit seinen 76 Jahren, hieß es. Er gelte höchstens noch als „Königsmacher“.

Aber offenbar hatte der Erzbischof von Buenos Aires in dem Konklave noch hervorragende alte Kontakte. 2005 war er der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen nach Joseph Kardinal Ratzinger. Insidern zufolge rang der Jesuit damals Stimme um Stimme mit dem späteren Papst um den Sieg. Erst sein Verzicht aufs Amt im letzten Wahlgang habe die Wahl von Ratzinger möglich gemacht.

Jorge Mario Bergoglio galt spätestens nach einem Artikel von vor zwei Jahren nicht mehr als „papstfähig“, der ihn in die Nähe der argentinischen Diktatur von 1976 bis 1983 rückte. Die Tageszeitung Página 12 veröffentlichte Zeugenaussagen, die Bergoglio als Helfer der Militärs bei der Unterdrückung Andersdenkender bezeichneten. Der ehemalige Dekan der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Buenos Aires, Fortunato Mallimacci, beschrieb ihn als einen Mann, der gegen jegliche Neuerung in der Kirche war und während der Diktatur große Nähe zum Militär pflegte. "Die Geschichte verurteilt ihn", so sein hartes Verdikt. Andere sagen zu seiner Verteidigung, für die Vorwürfe gebe es keinerlei Beweise. Vielmehr habe Bergoglio vielen Dissidenten geholfen, den Schergen der Junta zu entkommen.

Lateinamerika hat seinen Papst bekommen

Mit Bergoglio hat Lateinamerika dennoch nun seinen ersehnten Papst bekommen. Die Gläubigen zwischen Argentinien und Mexiko forderten schon lange ein Oberhaupt der Katholischen Kirche aus ihrer Region. Immerhin leben 42 Prozent der 1,2 Milliarden Anhänger der römisch-katholischen Kirche in Lateinamerika und der Karibik. In Europa sind es 25 Prozent.

Bergoglio wurde am 17. Dezember 1936 als eines von fünf Kindern italienischer Einwanderer in Buenos Aires geboren. Ursprünglich studiert er Chemie, entschied sich aber später für den Priesterberuf und wurde Jesuit. Er studierte Philosophie und Theologie. Nach seiner Priesterweihe im Dezember 1969 brachte er es schnell zum Jesuiten-Provinzial Argentiniens.

Bergoglio beendete seine Dissertation in Deutschland

Von 1980 bis 1986 war Bergoglio Rektor der Theologischen Hochschule von San Miguel. Um seine Dissertation zu beenden, kam er 1985 zu einem längeren Aufenthalt nach Deutschland - und er spricht seither neben Spanisch und Italienisch auch Deutsch. Seit 1992 Weihbischof in Buenos Aires, ernannte ihn Papst Johannes Paul II. im Sommer 1997 zum Erzbischof-Koadjutor und im Februar 1998 zum Erzbischof der Hauptstadt-Diözese. Seit 2001 gehört Bergoglio dem Kardinalskollegium an; von November 2005 bis 2011 war er Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz.

Bergoglio gilt als wortkarger Mensch und vertritt ausgesprochen konservative Auffassungen über Sexualmoral, Schwangerschaftsabbruch und Kondome. Aufsehen erregte er mit einer Kampagne gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Argentinien. "Wir dürfen nicht naiv sein. Das ist kein einfacher politischer Kampf, das ist der Versuch, Gottes Plan zu zerstören", schrieb er in einem Brief wenige Tage vor Verabschiedung des Gesetzes.

Seine Überzeugungen verbindet er mit einem sparsamen Lebensstil. Er verzichtete als Erzbischof auf die Limousine und zog dem erzbischöflichen Palais eine Wohnung vor. Für den Weg zur Arbeit nutzt er öffentliche Verkehrsmittel.

Obwohl er sich als Fürsprecher der Armen in Lateinamerika profilierte, kritisierte er die Befreiungstheologie, der sich vor allem während der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) viele Kirchenvertreter anschlossen. Dennoch erhebt er immer wieder die Stimme gegen soziale Ungerechtigkeit. „Wir leben in einem Teil der Welt, der am meisten gewachsen ist und dennoch die Armut am wenigsten verringert hat“, sagte er bei einem Treffen lateinamerikanischer Bischöfe. „Die ungleiche Verteilung der Güter ist eine soziale Sünde, die zum Himmel schreit.“

Auf den Papst warten enorme Aufgaben in der Heimat

Auf Papst Franziskus warten enorme Aufgaben, vor allem in seiner Heimat. In Lateinamerika laufen der Katholischen Kirche die Gläubigen in Scharen zu evangelikalen Freikirchen davon . Mexiko hat nur noch 82 Prozent Katholiken, Brasilien 65, und in Zentralamerika sind es nur noch 50 Prozent. Besonders beunruhigend ist für den Vatikan die Lage in Brasilien, dem größten katholischen Land der Erde. Heute ist es das Land mit den drittmeisten Protestanten nach den USA und Großbritannien.

„In Lateinamerika hat der Vatikan in den vergangenen Jahren gegen Homo-Ehe, Schwangerschaftsabbruch und Verhütung gekämpft, aber die Themen aus den Augen verloren, die den Gläubigen wichtig sind“, kritisiert Bernardo Barranco, mexikanischer Kirchenexperte. Armut, Menschenrechte, Ungleichheit, Migration seien Sache einiger weniger engagierter Kirchenmänner. Der neue Papst müsse an dem Punkt „soziale Sensibilität“ entwickeln, so Barranco.