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© reuters/christian hartmannDie indischen Behörden hatten bereits 2006 die Patentierung von Glivec auf dem Subkontinent verweigert.
Indiens Pharmamarkt ist umkämpft. Westliche Konzerne wollen ihre teuren Produkte absetzen, Generikahersteller halten dagegen


Wien - Sieben Jahre hat Novartis gekämpft. Der Schweizer Pharmakonzern wollte in Indien sein Krebsmedikament Glivec patentieren lassen. Dagegen haben die Inder mobilisiert. Der Grund: Das Novartis-Medikament, das gegen Leukämie und andere Krebsarten eingesetzt werden kann, kostet in Indien pro Monat umgerechnet rund 2000 Euro. Das dort am Markt befindliche Nachahmermittel (Generikum) ist für etwa 140 Euro zu bekommen.

Indien gilt wegen seiner wachsenden, kaufkräftigen Mittelschicht als umkämpfter Markt - auch für die Pharmaindustrie. Daher hat Novartis lange um das Patent gekämpft. Begonnen hatte der Rechtsstreit um Glivec im Jänner 2006, als Indien die Patentierung verweigerte. Beim Hauptwirkstoff handle es sich nur um eine neue Version eines bestehenden Wirkstoffs, hielt das Patentamt damals fest. Nach dem Patentrecht von 2005 werden in Indien nur noch neue Mittel geschützt, wenn eine "erhöhte therapeutische Wirksamkeit" nachweisbar ist.

Zug durch alle Instanzen

Novartis akzeptierte das nicht, argumentierte damit, dass das wichtige Molekül in Glivec zwar vorher schon patentiert gewesen sei. Jedoch erst nach jahrelanger Forschung sei es gelungen, es in Kristallform zu bringen, sodass das Medikament verabreicht werden könne, und startete den Zug durch alle Instanzen - bis am Ostermontag der Oberste Gerichtshof in Neu-Delhi endgültig gegen Novartis entschied. Das Patent wird dem Basler Konzern verweigert, weil es nicht die indischen Patentregeln erfülle, heißt es.

Glivec ist bisher in 40 Ländern patentrechtlich geschützt. Die Marktzulassung in Indien erhielt das Medikament 2001. Das indische Patent hätte für Novartis einiges bedeutet. Denn in der Regel sichern Patente den Konzernen ein exklusives Verkaufsrecht für ihr Medikament für bis zu 20 Jahre. Erst nach Ablauf des Patents können andere Firmen Generika herstellen, die günstiger sind.

Vor allem in ärmeren Ländern wie Indien gibt es einen großen Markt für Nachahmerprodukte. Bis 2015 laufen Patente für Arzneimittel mit einem jährlichen Umsatz von 150 Milliarden Dollar (117 Mrd. Euro) aus.

Novartis kritisierte das Urteil als "innovationsfeindlich". Pharmaunternehmen würden damit entmutigt, neue Medikamente zu entwickeln. Denn die Erforschung und Tests seien sehr teuer und nur möglich, wenn die Mittel später auch für eine gewisse Zeit patentiert werden könnten - womit das Unternehmen mit dem Vertrieb die Ausgaben wieder einnimmt.

Generikahersteller hingegen begrüßten das Urteil. Die Anwältin des Pharmaherstellers Cipla, Pratibha Singh, sprach von einem "Präzedenzfall" . Das Gericht habe entschieden, dass "Patente nur für wirkliche Erfindungen erteilt werden, wiederholtes Patentieren wird nicht erlaubt" . Madineedi Adinarayana, Geschäftsführer in Rechtsangelegenheiten beim Generikaunternehmen Natco, sprach von einem "großen Sieg". "Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch alle armen Menschen, die auf billige Medikamente angewiesen sind." Die indische Patientenorganisation Cancer Patients Aid Association lobte die Entscheidung ebenfalls. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach von einem wichtigen Erfolg, weil die günstigen Generika aus Indien in die ganze Welt exportiert würden.

Serie von Rückschlägen

Mit dem Entscheid gegen den Patentschutz setzt sich die Serie von Rückschlägen gegen die westliche Pharmaindustrie fort, die sich zuletzt immer stärker auf den indischen Markt konzentriert hatte. Roche und Pfizer etwa wurden im vergangenen Jahr Patente aberkannt. Bayer hat Anfang März im Patentstreit um billigere Kopien seines Krebsmittels Nexavar verloren. Das indische Patentamt hat Bayer gezwungen, sein Schutzrecht für Nexavar zugunsten des Generikaherstellers Natco aufzugeben. Bayer legte Berufung ein.

(Reuters, dpa, bpf)