Immer mehr Bürger demonstrieren gegen die ehemalige GEZ-Gebühr. Ein Rechtsprofessor erklärt die neue Abgabe auch für Haushalte für verfassungswidrig - und verschafft den Gegnern Rückenwind.
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© dpaProteste gegen den Nachfolger der GEZ-Gebühr werden erwartet.
Düsseldorf - Die Gegner der neuen Rundfunkgebühr schließen sich im Netz und auf der Straße zusammen. Mehr als 125 000 Bürger haben sich bereits an den Petitionsausschuss des Bundestages gewandt, um die „Zwangsfinanzierung“ von ARD, ZDF und Deutschlandradio abzuschaffen. Auch auf Facebook protestieren Nutzer.

„Ab 2013 wird jeder Haushalt gezwungen, eine Rundfunkabgabe zu bezahlen. Dabei spielt es keine Rolle ob man öffentlich rechtliches Programm bezieht oder überhaupt ein Empfangsgerät besitzt. Dies gleicht einer Steuer, die nach dem Grundgesetz aus guten Gründen verboten ist“, heißt es in der Begründung, die Gegner der früheren GEZ-Gebühr im Internet unterzeichnen könnten. Dabei handelt es sich um eine Initiative des Gebührengegners Patrick Samborski.

Rundfunkbeitrag - Was sich ändert. Die Neuregelung ab 1. Januar 2013

Zum Jahreswechsel wurde die bisherige Gerätegebühr abgeschafft. Sie wurde durch eine neue Haushaltsabgabe ersetzt. Unabhängig davon, ob der Bürger die Angebote von ARD und ZDF im Fernsehen, Radio oder Internet nutzt, muss er künftig die volle Rundfunkgebühr zahlen.

Wer wie viel zahlen muss

Kassiert werden pro Haushalt 17,98 Euro pro Monat. Wer Unterstützung wie Arbeitslosengeld erhält, studiert oder in der Ausbildung ist, muss keine Gebühr zahlen, wenn er sich befreien lässt. Menschen mit Behinderung zahlen monatlich 5,99 Euro statt der vollen Gebühr.

Was passiert, wenn man nicht bezahlt

„Schwarzseher“ werden es künftig schwer haben, da ihnen nicht der Besitz von Radio oder Fernseher nachgewiesen werden muss. Stattdessen wird jeder Haushalt zur Kasse gebeten. Wer nicht bezahlt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld rechnen.

Was sich für Unternehmen ändert

Künftig werden die Gebühren nach einem neuen Schlüssel berechnet, der pro Betriebsstätte und der Zahl der dort beschäftigten Mitarbeiter erhoben wird. Bislang fielen Gebühren lediglich für jeden PC im Unternehmen und jedes tatsächlich vorhandene Fernsehgerät an.

Wie die Wirtschaft leidet

Besonders betroffen sind von der Neuregelung Firmen mit vielen Filialen. Sie müssen mit deutlich höheren Zahlungen rechnen. Die Autowerkstatt-Kette ATU rechnet mit einer deutlichen Steigerung, ebenso auch Rossmann, Sixt oder die DB Netz AG.

Fallstrick für Kleinunternehmen

Die Antragsformulare des Beitragsservices sind nur vermeintlich eindeutig. Denn nur wer die Details der neuen Regeln kennt, kann wissen, dass er nicht alle Firmenautos eintragen muss. Nur die „beitragspflichtigen“ müssen eingetragen werden. Das heißt: Zahl der Autos minus Zahl der Betriebsstätten.

Um den Druck auf die Politik zu erhöhen, sind für den morgigen Samstag Kundgebungen in 13 Städten gegen die Haushaltsabgabe geplant. Die größte soll in Köln, dem Sitz des Westdeutschen Rundfunks (WDR), stattfinden. ARD, ZDF und Deutschlandradio erhalten jährlich mehr als 7,5 Milliarden Euro aus der Kasse der Bürger. Mit der Einführung der Haushaltsabgabe muss jeder Bürger lebenslang zahlen, egal ob er die Angebote im Fernsehen, Radio oder Internet überhaupt nutzt. Die Anstalten betreiben 22 Fernsehsender, 67 Radios und unzählige Online-Angebote. Die Angebote leiden an der Überalterung der Nutzer. Im Ersten und Zweiten beträgt das Durchschnittsalter 60 Jahre. In den dritten Programmen liegt es sogar deutlich darüber.

Unterstützung bekommen die Gegner nun durch ein Gutachten des Wirtschaftsjuristen Thomas Koblenzer, das dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.

Der Düsseldorfer Rechtsprofessor hält den neuen Rundfunkbeitrag für Haushalte für verfassungswidrig.Sein Fazit lautet: „Der Rundfunkbeitrag - ehemals GEZ-Gebühr - ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung abgabenrechtlich als Steuer einzustufen.“

Eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über eine Rundfunksteuer könnte nur über eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes und einer ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlass einer Rundfunksteuer in zulässiger Weise erreicht werden.

Das Resultat seiner Studie hat Konsequenzen: „Für deren Erhebung (der Rundfunkgebühr) besteht weder für die Länder noch für den Bund eine Kompetenz nach Artikel 105 ff. Grundgesetz“, sagt Koblenzer, der Kanzleien in Düsseldorf und Zürich betreibt. Dies führe dazu, dass der Rundfunkbeitrag „formell verfassungswidrig“ sei. Der Wirtschaftsjurist sieht gute Chancen, dass sich die Bürger gegen die Zwangsgebühr erfolgreich wehren können. Koblenzer will eine Interessensgemeinschaft gründen, damit es jedem möglich ist, auf unkomplizierte Weise Widerspruch einzulegen.

Gegner müssen zunächst Widerspruch einlegen. GEZ-Gebühr für Blinde
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Koblenzer rät: „Der Betroffene muss grundsätzlich zunächst bei der Rundfunkanstalt schriftlich binnen eines Monats Widerspruch einlegen.“ Erst nach erfolglosem Widerspruchsverfahren steht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen. Durch eine Anfechtungsklage kann der Betroffene dann die Aufhebung des Beitragsbescheids begehren. Gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts besteht die Möglichkeit Berufung einzulegen. Nach einem Urteil in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht kann der Betroffene Revision zum Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Der Jurist sagte dem Handelsblatt: „Im Ergebnis muss der Betroffene auf jeden Fall fristgerecht Widerspruch gegen den Beitragsbescheid einlegen und bei Ablehnung Anfechtungsklage erheben. Eine bloße Zahlung unter Vorbehalt stellt dabei keinen Widerspruch dar.“ Werde der Anfechtungsklage stattgegeben, werden Beitragsbescheid und Widerspruchsbescheid aufgehoben und diese werden unwirksam. Die Zahlung des Rundfunkbeitrags ist somit ohne Rechtsgrund erfolgt und der Betroffene kann den gezahlten Rundfunkbeitrag zurück fordern.
Mit seinem Gutachten unterstützt Koblenzer ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Christoph Degenhart im Auftrag des Handelsverbands Deutschland (HDE) im Januar, der den neuen Rundfunkbeitrag im Fall der Betriebsstätten als verfassungswidrig einschätzte. Der Leipziger Verfassungsrechtler kam zu dem Schluss, dass der Beitrag auch deshalb gegen das Grundgesetz verstoße, weil er alle Betriebsstätten unabhängig davon belaste, ob Rundfunk empfangen wird oder empfangen werden kann.

Die ARD hält an der bisherigen Haushaltsgebühr trotzt der Proteste. „Das Gesamtkonzept ist richtig“, sagte ARD-Vorsitzender und Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR), Lutz Marmor, im Februar. „In einzelnen Fällen stellte er aber Nachbesserungen in Aussicht.

Frühere GEZ-Behörde musste Personal aufstocken

Die Beitragszentrale im Kölner Stadtteil Bocklemünd, die frühere GEZ-Behörde, hat unterdessen alle Hände voll zu tun. Nach Angaben des Geschäftsführers Stefan Wolf gab es zuletzt fast 400 000 Anrufe beim Beitragsservice. Deshalb wurde das Personal aufgestockt. Seit Jahresbeginn wurden 250 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, um das Geld bei Bürgern und Firmen einzuziehen. „Wir haben im Gleichklang mit dem zusätzlichen Arbeitsanfall aufgestockt“, sagt Wolf. Nach den bisherigen Planungen sollen die zusätzlichen Gebühreneintreiber aber nur bis 2015 arbeiten. Derzeit hat die ehemalige GEZ-Behörde über 1000 Angestellte. Jährlich zahlen die Bürger mehr als vier Euro für die Geldeintreibungsinstitution. Das sind insgesamt rund 200 Millionen Euro.

Die rechtliche Lage, sich gegen die Haushaltsgebühr zu wehren, ist von Bundesland zu Bundesland anders. Grundsätzlich sieht die Verwaltungsgerichtsordnung vor, dass vor jeder Klage, die sich gegen einen Verwaltungsakt richtet, zuerst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, wenn nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt wird. Ob ein solches Vorverfahren aber durchgeführt werden muss, ist je nach Bundesland unterschiedlich. In Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein sei es laut Koblenzern grundsätzlich ein der Klage vorausgehendes Widerspruchsverfahren vorgesehen, in anderen Bundesländern sei das Widerspruchsverfahren zwar teilweise für bestimmte Fälle abgeschafft worden, zu denen jedoch nicht Verwaltungsakte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachen sei das Widerspruchsverfahren weitgehend ausgeschlossen, allerdings ausdrücklich nicht für Verwaltungsakte, die die durch den WDR oder durch den Beitragsservice erlassen werden.

Koblenzer fordert, sich auf alle Fälle zu wehren. „Legt der Beitragsschuldner keine Rechtsmittel ein, führt dies wie gesehen dazu, dass der Beitragsbescheid bestandskräftig wird und damit liegt dann auch ein rechtlicher Grund für die Zahlung vor. Daran ändert auch eine spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts“, bilanziert der Wirtschaftsjurist.