Die US-Regierung informiert den Kongress offiziell über ihr Vorhaben, eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA einzurichten. Nach Ablauf von 90 Tagen könnten die Verhandlungen beginnen.
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© ReutersEin Freihandelsabkommen zwischen EU und USA hätte für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks Vorteile.
Washington - Die US-Regierung hat einen weiteren Schritt zur Aushandlung eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union unternommen. Die Regierung von Präsident Barack Obama informierte am Mittwoch den Kongress in Washington offiziell über ihr Vorhaben. Die Verhandlungen mit der EU sollen nach einer Frist von 90 Tagen beginnen, wie der übergangsweise amtierende Außenhandelsbeauftragte Demetrios Marantis mitteilte.

Ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU könne ein „Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum“ auf beiden Seiten des Atlantiks sein, schrieb Marantis. Da die im Handel zwischen USA und EU-Ländern erhobenen Zölle bereits niedrig seien, müsse der Schwerpunkt der Verhandlungen auf „neuen und innovativen Ansätzen zur Verringerung der Auswirkungen der nicht durch Zölle errichteten Barrieren“ liegen, fügte der US-Vertreter mit Blick auf unterschiedliche Standards hinzu.

Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt. Was bringt ein Freihandelsabkommen?

Die Zölle zwischen den USA und den EU sind bereits niedrig. Sie liegen im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent, sagt der deutsche Außenhandelsverband BGA. Da jedoch jährlich Waren im Wert von mehr als einer halben Billion Euro über den Atlantik hin- und herbewegt werden, kann die Wirtschaft Milliarden sparen. Europäische Chemieunternehmen haben 2010 für Exporte in die Vereinigten Staaten fast 700 Millionen Euro in die US-Staatskasse gezahlt. Umgekehrt führten die USA gut eine Milliarde Euro nach Brüssel ab. Wirtschaftsverbände erwarten durch den Fall der Zollschranken weniger Bürokratie für mittelständische Unternehmen und mehr Geld für Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung.

Wie könnte Deutschland profitieren?

Die deutsche Wirtschaft verspricht sich Impulse in Milliardenhöhe. "Das Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um jährlich drei bis fünf Milliarden Euro erhöhen", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) rechnet mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1,5 Prozent. Viele Unternehmen hoffen zudem darauf, einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA zu bekommen.

Welche Streitfragen drohen?

Fast unlösbar scheinen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU in Fragen der Landwirtschaft. "Für die Amerikaner sind Hormonfleisch und Genmais kein Problem, für Europäer ist das dagegen ein 'No-Go'", sagt der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Da kann man sich auch nicht in der Mitte treffen." Die Handelskammer AmCham empfiehlt daher, dass Thema außen vor zu lassen. "Das Thema Agrar würde die Gespräche nur belasten", sagt AmCham-Präsident Fred Irwin. "Deshalb wäre es gut, das beiseite zu schieben."

Wo gibt es noch Knackpunkte?

Bei der Angleichung technischer Standards. "Das fängt bei der Länge der Stoßstangen an und hört beim Krümmungswinkel des Rückspiegels auf", sagt BGA-Experte Nagel. "Hier gibt es seit Jahrzehnten unterschiedliche Standards, die sich nicht in wenigen Jahren angleichen lassen." Die Chemieindustrie fordert, vor allem Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz stärker aufeinander abzustimmen.

Wie werden China und Co. reagieren?

Die deutschen Exporteure warnen davor, aus dem Freihandelsabkommen eine Art Wirtschafts-Nato zulasten anderer Handelspartner zu schmieden. "Uns stört das Gerede um eine Wirtschafts-Nato", sagte der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Ein Freihandelsabkommen ist nicht dazu da, sich gegen Dritte abzuschotten nach dem Motto 'Jetzt verbünden wir uns gegen die bösen Chinesen'." In der Politik wird das zum Teil genau andersherum gesehen. "Es bleibt nur noch wenig Zeit, gemeinsam mit den USA Standards zu prägen, bevor Wachstumsmärkte wie China und Indien den Takt angeben", sagte der Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats, Thomas Raabe.

Was haben die Verbraucher davon?

Sie können Produkte billiger einkaufen, verspricht beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). "Das würde auch die Kosten eines Autos für den Verbraucher senken", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Auch andere Branchen können mit einer Kostensenkung rechnen. Ob sie den Vorteil an ihre Kunden weitergeben oder den eigenen Gewinn damit steigern, bleibt ihnen überlassen. Produkte können außerdem schneller erhältlich sein, wenn sie einheitlich zugelassen werden - etwa wenn die US-Aufsicht FDA ein neues Medikament freigibt, das damit automatischen die Zulassung in den EU erhält. (Reporter: René Wagner; Redigiert von Scot W. Stevenson)

Obama hatte in seiner Rede zur Lage der Nation im Februar erstmals offen seine Unterstützung für das seit langem diskutierte transatlantische Abkommen erklärt. Die EU-Kommission gab vor gut einer Woche grünes Licht für die Verhandlungen mit den USA, nun müssen aber noch die EU-Mitgliedsländer das Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission absegnen. Als Hürden für die größten Freihandelszone der Welt gelten vor allem unterschiedliche Standards beim Klima- und Umweltschutz sowie bei der Nahrungsmittelsicherheit.

Vergangene Woche hatte Obama vor schwierigen Verhandlungen gewarnt. Es gebe „keine Garantie“, dass einige Länder wegen bestimmter Interessen ein Abkommen zwischen den USA und der EU nicht blockieren würden, sagte er. Europa sehe allerdings angesichts der wirtschaftlichen Krise mehr als je zuvor die Vorteile eines Abbaus von Handelsschranken. Daher sei er „bescheiden optimistisch“, dass sich beide Seiten am Ende auf einen Freihandelsdeal einigen könnten.

Auch Marantis zeigte sich am Mittwoch zuversichtlich, dass in den Gesprächen „für beide Seiten akzeptable Lösungen bei schwierigen Fragen“ gefunden werden könnten. Es gebe eine „bedeutende und vielfältige Schar“ an Unterstützern für das Projekt, erklärte er. Die Obama-Regierung werde eng mit dem Kongress in Washington zusammenarbeiten, um die US-Verhandlungsziele zu formulieren.