"Stockton" in KalifornienDer amerikanische Konkursrichter Christopher Klein hat nun entschieden, dass Stockton im US-Bundesstaat Kalifornien ein Konkursverfahren eröffnen darf. Die Stadt liegt in der Nähe San Franciscos und verfügt über 300.000 Einwohner. Damit ist sie die bisher größte Stadt in den USA, die sich für zahlungsunfähig erklären muss - ein weiterer Tiefpunkt in einer Entwicklung, die derzeit Kalifornien heimsucht.
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Bundesrichter Klein urteilte, dass es Stockton nun erlaubt sei, mit der Reorganisation seiner Schulden zu beginnen, damit die Stadt »weiterhin ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Bürgern in Fragen der grundlegenden Sicherheit sowie in Bezug auf andere grundlegende
Dienstleistungen der Regierung nachkommen kann«.

Als nächstes muss die Stadt dem Richter nun einen besonderen Umschuldungsplan zur Zustimmung vorlegen, um die Zahlungsverpflichtungen gegenüber Wall-Street-Gläubigern neu zu regeln. Diese Gläubiger hatten sich gegen den Insolvenzantrag Stocktons gewehrt, dabei aber, wie Richter Klein urteilte, »mit arglistiger Absicht« gehandelt. »Die Gläubiger haben sich heute ein blaues Auge geholt«, erklärte Rechtsanwalt Karol Denniston, der an der Ausarbeitung des Insolvenzantrags beteiligt war, gegenüber der Los Angeles Times. »Jetzt geht der Kampf erst richtig los.«

Rechtsexperten haben diesen Rechtsstreit genau verfolgt, denn wenn es um hohe Pensionssummen in Kombination mit Immobilienschulden geht, steht Stockton keineswegs alleine da und könnte so einen Präzedenzfall schaffen. Im vergangenen Jahr warnte "Moody’s Investor Service" vor einem Dominoeffekt bei amerikanischen Städten, die durch fehlerhafte Finanzplanung in massive finanzielle Schieflagen geraten sind.

Anfang des neuen Jahrtausends gingen Stocktons Kämmerer bei ihren Planungen der Gehälter der Stadtbediensteten, der Vorsorge- und Unterstützungsleistungen, der Rentenzahlungen und der Kreditaufnahme von langfristig eingehenden Bauerschließungsgebühren und einem langsam aber stetig wachsenden Steueraufkommen aus. Dann aber brachen die Steuereinnahmen inmitten der landesweiten Wirtschaftsrezession massiv ein und machten alle Planungen zunichte. »Bei einer Insolvenz gibt es keinen Anlass zum Feiern«, sagte der Verwaltungsdirektor der Stadt Bob Dies. »Aber es bestätigt das, was wir seit neun Monaten gesagt haben.«

Finanzfachleute von "California Common Sense" (CCC), einer Denkfabrik des Landtags, machen vor allem die Lokalpolitiker für die Misere verantwortlich, da diese bei ihren Planungen und Entscheidungen zur finanziellen Zukunft der Stadt ausschließlich auf den damaligen Immobilienboom gesetzt hätten. Den Hauptteil der städtischen Schuldenlast macht eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 900 Mio. Dollar gegenüber der Rentenkasse der Angestellten des öffentlichen Dienstes in Kalifornien - dem "California Public Employees‘ Retirement System" (CalPERS) - aus, die die Stadt bisher nur bedienen konnte, indem sie andere Verpflichtungen einfach ignorierte.

Als Stockton im Juni 2012 einen Insolvenzantrag nach Abschnitt 9 des amerikanischen Insolvenzrechts stellte, folgten die kalifornischen Städte San Bernardino und Mammoth Lakes bald ihren Beispiel. »Zusammengefasst erwarten wir ... weitere Insolvenzanträge und Zahlungsunfähigkeit bei Anleihen seitens kalifornischer Städte. Dies spiegelt das wachsende Ausfall-Risiko für Inhaber von Anleihen wider, da die Investoren aufgefordert werden, sich an Maßnahmen zur Schließung der Haushaltslücken zu beteiligen«, heißt es in einem CCC-Bericht vom August 2012.

Während Kalifornien die größte Schuldenlast zu schultern hat, haben einige Regionen im Landkreis "Jefferson" im US-Bundesstaat Alabama und die Stadt "Central Falls" in "Rhode Island" ebenfalls Insolvenzantrag gestellt. »Jede Stadt im Bundesstaat ist besorgt«, erklärte Dave Vossbrink, ein Sprecher der kalifornischen Stadt "San José" in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender "CBS". »Auf allen Ebenen der Regierung leiht man sich Geld; dies geschieht in der Regel, um damit langlebige Infrastruktur aufzubauen. Es geht dabei sozusagen um Hypotheken für den Bau von Straßen, einer Kläranlage oder was auch immer. Wenn nun Kommunen, die solche Investitionen tätigen wollen, als höheres Risiko eingestuft werden, wird es immer schwerer werden, die nötigen Kredite für öffentliche Vorhaben aufzutreiben.«