Wie viel Biokraftstoff darf ins Benzin, und welche Folgen hat das? Eine internationale Studie zeigt: Ethanol aus Mais oder Weizen sorgt für Hunger und schlechtere Lebensmittel. Trotzdem scheinen sich auf EU-Ebene die Lobbyisten der Industrie durchzusetzen.
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© APMaisernte im US-Bundesstaat Illinois: Tank statt Teller
Brüssel - Die Zahlen sind eindeutig - ob sie es aber schaffen, die EU-Parlamentarier zu beeindrucken, wird sich zeigen: Für 100 Kalorien, die über Ethanol etwa aus Mais oder Weizen als Kraftstoff in einen Autotank gehen, werden nur 75 Kalorien für die Ernährung ersetzt. Damit gehen 25 Prozent für die menschliche Ernährung verloren. Das geht aus einer Studie des US-Amerikaners Timothy Searchinger von der Universität Princeton hervor.

Die Studie zeigt auch, dass die Hälfte des Landes, das inzwischen für den Anbau für Ethanol-Mais benutzt wird, vorher für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt wurde. Beim Weizen liegt diese Quote sogar bei 60 Prozent. Die Herstellung von Agrarkraftstoffen, vor allem aus Mais und Weizen, trage also direkt zur Senkung der Menge an verfügbaren Nahrungsmitteln bei, so das Fazit der Studie.

Die Zahlen sind brisant, weil sie die seit langem anhaltende Kritik an sogenannten Biokraftstoffen verstärken. Diese wurden ursprünglich gefördert, um die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas zu verringern und das Klima zu schützen. Inzwischen aber ist der Nutzen stark umstritten. Für den großflächigen Anbau von Raps oder Mais wird Regenwald gerodet und Land benutzt, das sonst für den Anbau von Lebensmitteln verwendet wurde. Wissenschaftler halten außerdem den Klimanutzen der Agrarkraftstoffe für gering.


Kommentar: Der Nutzen konnte von Anfang an kritisiert werden, weil Nahrungsmittel nichts im Autotank zu suchen haben. Und für den Klimawandel, den es so nicht gibt, hätte es auch nicht geholfen.

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EU-Kommission hat Vorschlag wegen Lobbydruck entschärft

An diesem Donnerstag soll der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments deshalb darüber entscheiden, ob Biosprit in der EU in Zukunft eingeschränkt wird. Bereits Anfang Juni hatten 16 deutsche Umwelt-, Entwicklungshilfe- und kirchliche Organisationen in einem offenen Brief die deutschen Abgeordneten des EU-Umweltausschusses dazu aufgerufen, die derzeitige Förderung von Agrosprit in der EU zu begrenzen. Einen entsprechenden Vorschlag hat die Kommission gemacht, der auch vom Bundesumweltministerium unterstützt wird.

Dennoch versuchen gerade viele deutsche konservative Europaabgeordnete, den Markt für Agrarkraftstoffe in der EU noch stärker auszuweiten - und handeln damit ganz im Sinne der Industrie-Lobby. Denn die war im vergangenen Herbst aktiv geworden, nachdem ein erster Entwurf der Kommission bekannt wurde. Darin wurde unter anderem vorgeschlagen, den Anteil von Agrosprit, der auf die Klima- und Verkehrsziele angerechnet werden darf, zu halbieren. Gleichzeitig wollte man die Veränderung der Landnutzung, ob also Land statt für Lebensmittel für Kraftstoffe verwendet wird, mit in die Klimabilanz aufnehmen.

"Wer gegen Begrenzung stimmt, stimmt für Hunger"

Auf Druck der Lobbygruppen hat die Kommission ihre Vorschläge inzwischen bereits entschärft. So soll die umfassende Klimabilanzierung künftig nur für das "Reporting" genutzt werden, nicht aber für die tatsächliche Anrechnung von Agrosprit. Das heißt nichts anderes, als dass viele Agrokraftstoffe bei einer richtigen Bilanzierung nicht klimafreundlich sind.

"Jeder EU-Abgeordnete, der am Donnerstag gegen eine Begrenzung von Agrosprit stimmt, stimmt für mehr Hunger in den ärmsten Ländern der Welt", sagt Kathrin Birkel, Biosprit-Expertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das sei absolut inakzeptabel. "Das Parlament muss seine Verantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass Nahrungsmittel nicht mehr im Tank landen."