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© AFPTürkische Polizisten verhaften einen Demonstranten: Gummigeschosse und Wasserwerfer gegen regierungskritische Kundgebungen eingesetzt.
Bei Einsätzen der türkischen Polizei gegen regierungskritische Demonstranten hat es erneut Verletzte gegeben. Sicherheitskräfte setzten Gummigeschosse, Wasserwerfer und Tränengas ein. Viele Touristen in Istanbul flohen verschreckt in Seitenstraßen.

Istanbul - In der Türkei ist die Polizei erneut in mehreren Städten mit Gewalt gegen regierungskritische Demonstranten vorgegangen. In sozialen Netzwerken berichteten Aktivisten von vielen Verletzten. Im südostanatolischen Hatay, in der Hauptstadt Ankara und in Istanbul wurden Kundgebungen von Sicherheitskräften aufgelöst. Wasserwerfer und Reizgas kamen zum Einsatz. In Istanbul wurden auch Gummigeschosse auf Demonstranten abgefeuert.

Blogger riefen im Internet dazu auf, Ärzte zum Kugulupark in Ankara zu schicken. Allein dort sollen etwa hundert Demonstranten verletzt worden sein.

In Istanbul ging die Polizei mit Wasserwerfern, Reizgas und Plastikgeschossen gegen etwa tausend Demonstranten vor, die versuchten, auf den zentralen Taksim-Platz zu gelangen. Vor allem der auf den Platz führende Istiklal-Boulevard versank in einer Wolke von Tränengas. Neben den Demonstranten flohen auch viele Touristen verschreckt in die Seitenstraßen. Die Restaurants und Bars rund um den Taksim-Platz sind vor allem an Wochenenden beliebt.

"Provokateure und Putschbefürworter"

Auf Fotos, die der türkische Fernsehsender Ulus TV auf Facebook veröffentlichte, waren mit Holzknüppeln bewaffnete Männer zu sehen, die in der Nähe des Taksim-Platzes Journalisten und Demonstranten angriffen. Dabei handelte es sich vermutlich um Unterstützer von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Der konservative Regierungschef und einige Minister seines Kabinetts hatten in den vergangenen Wochen mehrfach Demonstranten und Journalisten als "Provokateure und Putschbefürworter" bezeichnet.

Hintergrund der Demonstrationen war die Verhaftung prominenter Aktivisten. Den mittlerweile wieder freigelassenen Demonstranten drohen Prozesse wegen angeblicher Gründung einer terroristischen Vereinigung.

Nach ihrer Freilassung hatten die Aktivisten von Misshandlungen durch die Polizei berichtet. Die Präsidentin der Istanbuler Architektenkammer, Mücella Yapici, erklärte am Freitag, sie habe sich in Untersuchungshaft einer demütigenden Leibesvisitation unterziehen müssen, und die Polizei habe der Diabetikerin ihre lebenswichtigen Medikamente erst nach Stunden zurückgegeben.

Die landesweiten Proteste hatten sich Ende Mai an Regierungsplänen entzündet, den Gezi-Park am Taksim-Platz zu bebauen. Bei den wochenlangen Demonstrationen war die Polizei mit aller Härte eingeschritten. Vier Demonstranten und ein Polizist kamen bei den Zusammenstößen ums Leben, zudem wurden rund 8000 Menschen verletzt. Nach Schätzungen der Polizei hatten sich 2,5 Millionen Menschen in 80 türkischen Städten an den Demonstrationen beteiligt, die sich inzwischen vor allem gegen den autoritären Regierungsstil der Erdogan-Regierung wenden.

rls/dpa