Galaxienhaufen
© ESO/NOAJ/Subaru/R. GobatGemeinsame Langzeitaufnahme des bislang ältesten Galaxienhaufens (rote Objekte) des "Very Large Telescope" (VLT) in Chile und des "NAOJ's Subaru Telescope" auf Hawaii.
Paranal/ Chile - Mit einer ganzen Armada von Teleskopen auf dem Erdboden und im Weltall, unter anderem dem "Very Large Telescope" der Europäischen Südsternwarte "ESO" am Paranal-Observatorium in Chile, haben Astronomen den am weitesten entfernten bislang bekannten "erwachsenen“ Galaxienhaufen entdeckt und seine Entfernung zur Erde bestimmt. Das Licht, das sie dafür aufgefangen haben, stammt aus einer Zeit, als das Universum weniger als ein Viertel so alt war wie jetzt. Der junge Haufen zeigt überraschend große Ähnlichkeit mit den Galaxienhaufen im heutigen Universum, die ungleich mehr Zeit hatten, sich weiter zu entwickeln. (eso.org)
Wir haben die Entfernung zu dem am weitesten entfernten ausgewachsenen Galaxienhaufen gemessen, den man je gefunden hat", berichtet Raphael Gobat vom CEA in Paris, der Leiter der Studie, in der die Beobachtungen des "Very Large Telescope" (VLT) ausgewertet wurden. "Auch bei genauerer Betrachtung sieht man diesem Galaxienhaufen nicht an, dass er sehr jung ist. Viele seiner Galaxien sind bereits voll entwickelt und weisen kaum Ähnlichkeit mit den für das junge Universum typischen Galaxien auf, in denen sich besonders viele Sterne bilden.
Galaxienhaufen sind die größten durch Schwerkraft zusammengehaltenen Strukturen im Universum. Astronomen gehen davon aus, dass diese Haufen mit der Zeit allmählich immer größer werden. Im jungen Universum sollten massereiche Galaxienhaufen aus diesem Grunde noch recht selten sein. Zwar wurden auch noch weiter entfernte Galaxienhaufen beobachtet als der jetzt entdeckte. Diese scheinen aber keine ausgewachsenen Objekte zu sein, sondern junge Haufen, die noch im Entstehen begriffen sind.

Das internationale Astronomenteam nutzte die leistungsfähigen Instrumente VIMOS und FORS2 am Very Large Telescope (VLT) der ESO, um die Entfernung zu Mitgliedern einer Ansammlung von lichtschwachen, roten Objekten zu bestimmen, die das Weltraumteleskop Spitzer zuvor entdeckt hatte. Diese Ansammlung von Galaxien mit der Bezeichnung "CL J1449+0856" wies alle Anzeichen eines sehr weit entfernten Galaxienhaufens auf. Tatsächlich ergab die Auswertung der Beobachtungen, dass es sich um einen Galaxienhaufen handelt, den wir in jenem Zustand sehen, den er hatte als das Universum nur etwa 3 Milliarden Jahre alt war - weniger als ein Viertel seines heutigen Alters.

Nachdem die Astronomen die Entfernung zu diesem ungewöhnlichen Objekt bestimmt hatten, führten sie eine gründliche Untersuchung der einzelnen Galaxien sowohl mit dem Hubble-Weltraumteleskop als auch mit bodengebundenen Teleskopen einschließlich des VLT durch. Dabei fanden sie Anzeichen dafür, dass die meisten der Galaxien kaum mehr neue Sterne bilden. Diese Galaxien bestanden stattdessen überwiegend aus Sternen, die bereits etwa eine Milliarde Jahre alt waren. Das macht den Galaxienhaufen zu einem "erwachsenen" Exemplar seiner Gattung. Seine Gesamtmasse ist vergleichbar mit der des Virgohaufens, des von der Milchstraße aus nächstgelegenen großen Galaxienhaufens.

Weitere Anzeichen dafür, dass es sich bei "CL J1449+0856" um einen ausgewachsenen Haufen handelt, ergaben Röntgenbeobachtungen mit dem Satellitenteleskop "XMM-Newton" der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Der Galaxienhaufen erzeugt Röntgenstrahlung, die sich auf sehr heißes und dünnes Gas zurückführen lässt, das den Raum zwischen den Haufengalaxien ausfüllt und eine Konzentration zum Zentrum des Haufens hin aufweist. Ein junger, noch in der Entwicklung befindlicher Galaxienhaufen hätte noch nicht genügend Zeit gehabt, ein solches Gasreservoir anzusammeln. Die Röntgenstrahlung ist damit ein weiteres Anzeichen dafür, dass es sich um einen voll entwickelten Galaxienhaufen handelt.

Gobat erläutert abschließend:
Diese neuen Ergebnisse stützen die Theorie, dass erwachsene Galaxienhaufen bereits existierten, als das Universum weniger als ein Viertel seines heutigen Alters hatte. Doch vermutlich sind solche Haufen sehr selten, so dass wir Glück hatten, ein solches Objekt überhaupt zu finden. Sollten zukünftige Beobachtungen allerdings noch weitere solche Haufen entdecken, dann müssten wir unser bisheriges Bild vom frühen Universum grundsätzlich überdenken.