Präsident Obama versucht derzeit mit allen Mitteln, den US-Kongress für die Zustimmung zu einem militärischen Eingreifen in Syrien als Reaktion auf den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen zu gewinnen - um zu vermeiden, dass die USA an Glaubwürdigkeit verlieren. Derweil unterzeichnet China überall im kriegsgeschüttelten Nahen Osten ohne große Fanfare Verträge über die Lieferung von Erdöl und Erdgas zur Sicherung der eigenen langfristigen Energieversorgung. Das jüngste Beispiel ist eine Vereinbarung in Ägypten.
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Ölimporte haben für China mittlerweile nationale Priorität. Vor den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001, auf die Bush bekanntlich mit der Proklamation des »Kriegs gegen den Terror« antwortete, importierte China pro Tag
durchschnittlich 1,2 Millionen Barrel Erdöl. Inzwischen sind die Importe um fast das Fünffache auf 5,6 Millionen Barrel täglich gestiegen, beinahe das Doppelte der Einfuhren der USA, des bisher größten Ölimporteurs der Welt, zumeist aus dem Nahen und Mittleren Osten.

Die staatlichen chinesischen Ölgesellschaften ergreifen jede sich bietende Gelegenheit, die langfristigen Öllieferungen zu sichern. Das Ergebnis ist, dass chinesische und nicht etwa amerikanische Ölgesellschaften jetzt in genau den Ländern, in denen Washington gewalttätige Regimewechsel unterstützt hat - Ägypten, dem Irak und sogar Libyen - , zunehmend den Ölfluss beherrschen.

China kommt nach Ägypten...

Peking hat keine Zeit verloren, seine Fühler nach Ägypten auszustrecken, ungeachtet des laufenden Machtkampfs zwischen der Moslembruderschaft und dem Militär nach dem Sturz Mursis.

Die "China Petrochemical Corp.", die auch unter dem Namen »Sinopec Group« firmiert, hat soeben 3,4 Milliarden Euro für eine 33-prozentige Beteiligung an der Erdöl- und Erdgasgesellschaft "Apache Corporation" in Ägypten gezahlt - der größte Betrag, den China je für einen Erwerb im Nahen Osten aufgewendet hat. Es ist auch die erste Partnerschaft mit der texanischen Ölgesellschaft "Apache".

Der Vertrag beinhaltet mehrere geopolitisch bedeutsame Elemente. Zum einen unterstreicht er Chinas Willen, seine Energielieferanten so breit wie möglich zu diversifizieren. Gemeinsam mit Russland hat es China wiederholt abgelehnt, die Assad-Regierung in Syrien zu verurteilen, sehr zum Missfallen Washingtons. Doch dass China jetzt einen Vertrag mit einem bekannten US-amerikanischen Unternehmen abschließt, ist ein Signal dafür, dass man gewillt ist, die Politik der Energie-"Neutralität" fortzuführen.

Trotz des Widerstands im UN-Sicherheitsrat gegen einen Krieg in Syrien will China keinen Bruch mit Washington. Das ist reiner Pragmatismus, denn die Chinesen sind vorsichtige und pragmatische Spieler auf der Bühne der Weltpolitik, zumal sie dort erst in jüngster Zeit eine maßgebliche Rolle spielen. Außerdem hat man in Peking sehr gut verstanden, dass Obamas vor zwei Jahren geäußerte Verschiebung der Militärmacht vom Nahen Osten nach Asien - er sprach damals vom »Asian Pivot«, zu Deutsch »Dreh- und Angelpunkt Asien« - direkt gegen Chinas wachsende wirtschaftliche Unabhängigkeit gerichtet war.

Die Sinopec-Ölfelder liegen in der Wüste im Westen Ägyptens, weit weg von den politischen Unruheherden. Die Liefermenge an Sinopec wird anfänglich 130 000 Barrel pro Tag betragen, das sind rund neun Prozent der täglichen Fördermenge der Gesellschaft in Höhe von 1,5 Millionen Barrel. Nach Angaben von Sinopec will man sich auf die langfristige Entwicklung in der Region konzentrieren.

... in den Irak...

Die US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 wird mittlerweile auch in den USA selbst als großer Fehler betrachtet. Seit zehn Jahren ist nicht ein Jota Demokratie eingeführt worden, das Land liegt in Trümmern. In Bagdad sind Terroranschläge sunnitischer, von Saudi-Arabien unterstützter Al-Qaida-Anhänger an der Tagesordnung. Sie richten sich zumeist gegen die schiitische Mehrheit von Ministerpräsident Nuri al-Maliki.

Doch das hat chinesische Ölgesellschaften nicht davon abgehalten, sich Konzessionen für ein großes Ölfeld im Lande zu sichern, das viele Experten für das größte Ölvorkommen außerhalb Saudi-Arabiens halten. Durch Chinas umsichtiges Vorgehen nach dem Beginn des Rückzugs der US-Truppen steht es jetzt kurz davor, die größte ausländische Ölgesellschaft zu stellen, die die riesigen Ölvorräte des Irak entwickelt.

Zurzeit kauft China die Hälfte des gesamten im Irak geförderten Öls. Die Fördermenge ist seit der US-Invasion von 2003 deutlich gestiegen. Der Irak exportiert heute 2,6 Millionen Barrel Erdöl pro Tag (bpd), zum Zeitpunkt der US-Invasion waren es lediglich 1,2 Millionen bpd gewesen. Ölminister Abdul Karim al-Luaibi hat das Ziel erklärt, bis 2017 insgesamt neun Millionen bpd zu exportieren. Damit wäre der Irak nach Russland und Saudi-Arabien der drittgrößte Ölexporteur der Welt.

Die staatliche chinesische Ölgesellschaft "China National Petroleum Corporation" (CNPC) hat sich kürzlich von BP eine wichtige Konzession zur Entwicklung des irakischen Ölfelds Rumaila gesichert, das mit geschätzten Vorräten von 17 Milliarden Barrel als drittgrößtes Ölfeld der Welt gilt. Der US-Konzern "ExxonMobil" war im Bieterverfahren unterlegen. Mamdu Salameh, Öl-Berater der Weltbank, betont: »Die Amerikaner haben dort zwar technisch den Krieg gewonnen, aber wie Sie wissen, war es ein katastrophaler Fehler. Sie wollten das Öl, aber der tatsächliche Gewinner ist China

China ist schon bald nach dem Krieg in den Irak gegangen, mit viel Geld in der Tasche und mehreren Tausend Ölarbeitern im Gefolge. Das sicherte China vor zwei Jahren eine begünstigte Ausgangslage, als die Regierung die Verhandlungen über Ölkonzessionen aufnahm. Im letzten Monat hat ExxonMobil dann einen erheblichen Anteil an dem irakischen Ölfeld West Qurna 1 an die chinesische Petro China verkauft, wodurch China auf einem weiteren großen Ölfeld eine Schlüsselstellung erhielt.

... und sogar nach Libyen

China bemüht sich auch, und zwar mit Erfolg, um das teure libysche Light-Sweet-Öl. Während sich Frankreich gute Chancen ausrechnete, den Wettbewerb um das libysche Öl zu gewinnen, nachdem man 2011 maßgeblich die Opposition gegen Gaddafi unterstützt hatte, überlässt die Regierung von Libyen heute chinesischen Ölgesellschaften umfangreiche Konzessionen. Darüber hinaus hat der Nationale Übergangsrat Libyens erklärt, alle früher zwischen China und Gaddafi unterzeichneten Verträge behielten ihre Gültigkeit.

Das Misstrauen der europäischen Ölgesellschaften hat Frankreich nicht etwa das libysche Öl nach dem Krieg gesichert, sondern es hat dazu geführt, dass Italien nach wie vor der mit Abstand größte ausländische Ölproduzent in Libyen ist und China Frankreich auf den zweiten Platz verdrängt hat.

China hat die neue Regierung in Form humanitärer Hilfe und der aktiven Teilnahme am Wiederaufbau des nordafrikanischen Landes unterstützt. Das Ergebnis der gegenseitigen Anerkennung war ein großer Vertrag über Öllieferungen, der im März zwischen China und Libyen unterzeichnet wurde. Danach wird Peking von Tripolis bis zu 100 000 Barrel Rohöl täglich kaufen, eine Verdopplung der bisherigen Importe libyschen Öls.

Erdöl und Erdgas bilden auch den zentralen Streitpunkt im syrischen Krieg um die Herrschaft zwischen den Sunniten, die zu Saudi-Arabien neigen, und dem iranfreundlichen Syrien. Mit diesem Thema wird sich ein weiterer Artikel befassen.