Dass in Syrien jeden Tag Menschen sterben, ist bereits so sehr traurige Normalität geworden, dass häufig nur noch Totenzahlen vermeldet werden. Human Rights Watch legt nun einen Bericht über ein Massaker im August vor, der das tägliche Grauen in Syrien an einem grausigen Beispiel konkret werden lässt.
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© picture alliance / dpaUnter den Rebellen sind zahlreiche Islamisten oder auch Anstifter westlicher Nationen.
Syrische Rebellengruppen haben nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) im August mehr als 190 Zivilisten getötet und Hunderte Geiseln genommen. Vieles spreche dafür, dass es sich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handele. Die Täter gehörten zu islamistischen Organisationen, darunter die Al-Nusra-Front und die "Organisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien".

Am 4. August griffen demnach mehrere Rebellengruppen etwa zehn Dörfer der alawitischen Minderheit in der nordsyrischen Küstenregion Latakia an. Dabei töteten sie etwa 190 Zivilisten. In mindestens 67 Fällen habe es sich um Hinrichtungen oder widerrechtliche Tötungen gehandelt, so HRW. Viele Opfer seien unbewaffnet gewesen oder auf der Flucht erschossen worden.

Die Organisation erstellte bei ihrer Untersuchung vor Ort eine Liste mit den Namen der Toten. Ihr zufolge befinden sich 57 Frauen und 18 Kinder unter den Opfern. Die 67 Menschen, die gezielt hingerichtet wurden, seien nicht bewaffnet gewesen und hätten keine Bedrohung dargestellt, teilweise hätten sie sich sogar auf der Flucht befunden, schrieb HRW. Die Angreifer löschten dem Bericht zufolge ganze Familien aus und nahmen Bewohner - hauptsächlich Frauen und Kinder - als Geiseln. Mehr als 200 Geiseln sollen sich noch immer in den Händen ihrer Entführer befinden.

Die oppositionelle Nationale Syrische Koalition äußerte sich bestürzt über den Bericht. "Wir verurteilen unmissverständlich alle Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen. Dazu gehören auch widerrechtliche Tötungen und Entführungen", teilte das Bündnis mit. Die Koalition distanzierte sich dabei ausdrücklich von den dschihadistischen Gruppen "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" sowie den "Muhadschirun wa al-Ansar". Zugleich hoben die Oppositionellen hervor, dass das Assad-Regime für die meisten Menschenrechtsverletzungen im syrischen Bürgerkrieg verantwortlich sei.

Für den Bericht führte HRW nach eigenen Angaben 35 Interviews, darunter mit mehreren Überlebende des Angriffs. Ein Zeuge berichtete etwa, die Angreifer hätten seine gehbehinderte Frau und seinen gelähmten Sohn getötet. Er selbst war vor den Angreifern geflüchtet, Frau und Sohn waren zu Hause zurückgeblieben. Bei seiner Rückkehr fand er zwei frisch geschaufelte Gräber im Garten und Blutflecken im Haus. Die gesammelten Aussagen und Beweise legten nahe, dass es sich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handle, heißt es in dem Bericht, der in New York vorgelegt wurde. "Das Ausmaß und die Organisation dieser Verbrechen deuten darauf hin, dass diese systematisch und als Teil eines Angriffs auf die Zivilbevölkerung geplant waren."

Nach Angaben von HRW waren insgesamt 18 Rebellengruppen an dem Angriff beteiligt, doch hätten fünf radikale islamistische Gruppierungen bei der Operation die Führung gehabt. Die Gruppen Islamischer Staat im Irak und der Levante und Dschaisch al-Muhadschirin wal Ansar würden noch immer mehr als 200 Zivilisten als Geiseln halten, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Erst am 18 August eroberten Regierungstruppen das Gebiet zurück. Die schiitischen Alawiten bilden eine Minderheit im mehrheitlich sunnitischen Syrien. Auch Präsident Baschar al-Assad gehört der Minderheit an.