Was bewirken der Freiheitskampf der arabischen Völker und die Erdbebenkatastrophe in Japan in Deutschland? Steigende Energiepreise, Menschenketten gegen die Atomkraft und eine ratlose Politik.

In den japanischen Kernkraftwerken Fukushima und Tokai ist es nach dem verheerenden Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami vom vergangenen Freitag zu schwerwiegenden Problemen mit den Kühlsystemen und Kernschmelzen gekommen; es droht eine atomare Verstrahlung dicht besiedelter Gebiete. In den nächsten Tagen wird der Strom abgeschaltet werden und Weltunternehmen wie Nissan, Toyota und Sony müssen Produktionswerke stilllegen. Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind noch nicht abzuschätzen.

In den Ländern des Maghreb, im Libanon, in Bahrain und im Jemen versucht die Bevölkerung, autokratische und diktatorische Gewaltherrscher in rechtsstaatliche Schranken zu weisen oder sie zu entmachten. Despoten wie der libysche Präsident Gaddafi massakrieren das eigene Volk, um jegliche grundlegenden Menschenrechte zu verweigern. Mit dem Einsatz von Luftwaffe und Artillerie gelingt es ihm, die von den Aufständischen gehaltenen Städte zurückzuerobern und wichtige Ölfelder in Brand zu setzen. Flüchtlingswellen brechen über Italien an der Südflanke Europas herein. Die Öl- und Benzinpreise steigen.

Die USA werden es schon richten

Wie erstarrt blickt Europa auf die Krisenherde; zögerlich findet der Politikbetrieb in Berlin sich in der neuen Situation zurecht. Den Freiheitskampf der arabischen Völker will man mit diplomatischen Konsultationen, einem Waffenembargo und dem Einfrieren von Bankkonten der oligarchischen Clans unterstützen und hofft im Übrigen darauf, dass die Amerikaner es schlussendlich wieder richten. Allein US-Flugzeugträger scheinen in der Lage, vom Mittelmeer aus eine Flugverbotszone in Libyen mit militärischen Mitteln durchzusetzen.

Intellektuelle, Kulturschaffende und andere Anführer der Wutbürger auf deutschen Straßen - sie schweigen. Es ist das Schweigen der Wölfe, die sonst auf der Stelle und ultimativ bereit sind, im Namen wahrer Humanität Gerechtigkeit einzufordern. Hatte man bei dem Aufstand der Ägypter gegen Alleinherrscher Mubarak zumindest noch in den warmen Wohnstuben mitgefiebert, so beschäftigten sich die Talkshows und Zeitungen alsbald eher mit der Doktorarbeit des Barons zu Guttenberg als mit dem verzweifelten Kampf der arabischen Massen in Libyen oder im Jemen oder der anhaltenden Unterdrückung der Meinungsfreiheit im immer noch kommunistischen China.

Röttgen findet Brücke zwischen E10 und Gaddafi

Die Überleitung zwischen dieser auch für Europa virulenten Bedrohung durch die Verweigerung von Freiheits- und Menschenrechten zum Thema Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland besorgte dann eher unfreiwillig der Bundesumweltminister. Norbert Röttgen gelang es, die gefloppte E10-Biospriteinführung in einem Interview direkt mit dem Aufstand gegen Gaddafi in Zusammenhang zu bringen. Mit dem Tanken von Biosprit, argumentierte er, verhindere man es, Gaddafi noch mehr Geld für den Kampf gegen das eigene Volk in den Rachen zu werfen.

Als dann das Thema einer sicheren Energieversorgung durch das katastrophale Krisenmanagement und die geradezu sowjetisch anmutende Kommunikationspolitik in Japan einen ungeahnt wahren Siedepunkt erreichte und gar zu explodieren drohte, bat die Regierung um eine Auszeit. Man wolle erst einmal gemeinsam trauern, dann alles noch einmal in puncto Sicherheit überprüfen und verspreche, so die Kanzlerin, nicht einfach (wieder) zur Tagesordnung überzugehen.

"Wir müssen die Grundfragen der Menschheit beantworten"

Derweil wirkte der zuständige Minister Röttgen verunsichert, gehemmt und verlegen. Was ihn, dem das Handelsblatt etwas vorschnell die Befähigung zur Kanzlerschaft absprach, auch wieder authentisch und mithin sympathisch erscheinen ließ. Denn seine kleinlaute Reaktion, es gebe in der Tat etwas Veränderndes zu bedenken, könnte angemessener sein als die sich angesichts der Katastrophen in aller Welt auf den eigenen Bauchnabel, sprich die Abschaltung der AKWs in Biblis und Neckarwestheim und die Verhinderung von Gorleben als atomarem Endlager konzentrierenden Wutbürger und ihre professionellen Anführer. Röttgen formulierte es leise: "Wir müssen die Grundfragen der Menschheit beantworten" - dieser Debatte könne nicht ausgewichen werden. Bleibt zu hoffen, dass Deutschland diese Kettenreaktion zu einem qualitativen Wachstum führt.