Sparkurs wider Willen: Zehntausende Menschen sind in Portugal und Italien gegen die Sparpolitik ihrer Regierungen auf die Straße gegangen - und lieferten sich teils heftige Gefechte mit der Polizei.


Im Euro-Krisenland Portugal haben Zehntausende gegen massive Kürzungen im Staatshaushalt protestiert. In Lissabon und Porto forderten die Menschen am Samstag bei den vom Gewerkschafts-Dachverband CGTP organisierten Kundgebungen ein Ende von "Ausbeutung und Verarmung". In Italien gingen am Wochenende Zehntausende Menschen auch aus Protest gegen die Sparpolitik auf die Straßen. Nach Auseinandersetzungen mit vermummten Steinewerfern nahm die Polizei in Rom 15 Personen fest.

In der portugiesischen Hauptstadt fuhren Demonstranten in mehr als 400 Bussen demonstrativ über die Brücke des 25. April, die an die Nelkenrevolution von 1974 erinnert. Trotz starken Regens versammelten sich danach an der Brücke am Tejo laut CGTP "viele Zehntausende". Auf Plakaten wurde der Rücktritt der Mitte-Rechts-Regierung von Pedro Passos Coelho gefordert. Auch in Porto im Norden des Landes machten nach Angaben der Organisatoren mehr als 50.000 Menschen ihrem Unmut Luft. "Rote Karte für die Regierung", titelte das Massenblatt Correio da Manha am Sonntag.

Am Dienstagabend hatte Portugals Regierung den strengsten Sparetat seit 1977 präsentiert. Der für 2014 vorgesehene Haushalt stelle eine brutale Attacke auf das portugiesische Volk dar und dürfe vom Parlament auf keinen Fall gebilligt werden, sagte CGTP-Chef Armenio Carlos. Der Gewerkschafts-Vorsitzende rief Präsident Aníbal Cavaco Silva dazu auf, den Etat dem Verfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen. Für den 1. November kündigte Carlos anlässlich der ersten Abstimmung über den Haushalt einen Protest vor dem Parlamentsgebäude an. Auch ein neuer Generalstreik sei nicht ausgeschlossen, warnte er.

Randale in Rom

Zur Abwendung eines drohenden Bankrotts hatte Portugal 2011 von EU und Internationalem Währungsfonds ein 78 Milliarden Euro schweres Hilfspaket erhalten. Im Gegenzug verpflichtete sich Lissabon zu einer strengen Sanierungspolitik. Im Zuge der Sparmaßnahmen steuert man bereits auf das dritte Rezessionsjahr in Folge zu. Die Arbeitslosenrate erreichte das Rekordniveau von rund 17 Prozent. Ab Juni 2014 muss das Land finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen.

In Rom lieferten sich Vermummte Auseinandersetzungen mit der Polizei. Als Extremisten, Anarchisten, Gegner des italienischen Sparkurses und Studenten am Samstag durch die Straßen zogen, warfen Einzelne Steine und Flaschen. Demonstranten zündeten Müllcontainer an und setzten sie als Barrikaden ein. Bei einer Bank gingen Schaufenster zu Bruch. Der Eingang der deutschen Botschaft wurde nach Medienberichten mit Rauchpatronen und anderen Gegenständen beworfen. Es gab 15 Festnahmen, zwei Polizisten wurden verletzt.

Italien leidet ebenfalls seit zwei Jahren unter einer Rezession, der längsten in der Nachtkriegsgeschichte des Landes. Derzeit wird im Parlament über den Haushaltsentwurf für 2014 debattiert, der nach den Einschnitten der vergangenen Jahre weitere drastische Sparmaßnahmen unter anderem bei den Sozialausgaben vorsieht. Allerdings sind auch Steuererleichterungen von fast 15 Milliarden Euro vorgesehen, mit denen die lahmende Konjunktur angekurbelt werden soll. Zudem sollen Anreize für die unbefristete Einstellung junger Menschen geschaffen werden.

cob/DPA/AFP