Lobbyismus
© Salzburger Nachrichten/Wizany"Ich kann dich beruhigen, es ist alles nicht so, wie es aussieht!"
Die Korruptionsaffäre um ÖVP-EU-Mandatar Ernst Strasser könnte am Sonntag die nächste Eskalationsstufe erreichen. Dem Vernehmen nach plant die britische Sunday Times, mit brisantem Material an die Öffentlichkeit zu gehen.

Wien, Brüssel (SN). Die Angelegenheit scheint reichlich mysteriös. Der offiziellen Lesart zufolge haben sich Reporter der „Sunday Times“ als Lobbyisten ausgegeben und Strasser 100.000 Euro sowie Geschäftsbeziehungen angeboten, wenn er sich für einen Antrag zum Anlegerschutz verwende. Der ÖVP-Abgeordnete reichte den Antrag an seine Fraktionskollegen Othmar Karas und Hella Ranner weiter und soll in der Folge mehrmals für den Antrag interveniert haben. Strasser bestreitet dies. Er habe sich nur nach „inhaltlichen Details und parlamentarischen Instanzenläufen“ erkundigt, sagt er. Keinesfalls habe er seine Kollegen dazu veranlassen wollen, den Antrag im Parlament einzubringen.

Bemerkenswert ist, dass die „Sunday Times“, die angeblich hinter der Sache steckt, noch keine Zeile dazu veröffentlicht hat. Ihr Brüsseler Vertreter Rory Watson versicherte den SN glaubhaft, den Namen Strasser noch nie gehört zu haben. Es besteht also die Möglichkeit, dass nicht falsche, sondern echte Lobbyisten die Möglichkeit ausgelotet haben, den ÖVP-Mandatar zu „kaufen“.

Investigative Recherchen der „Sunday Times“ haben bereits mehrmals zu Rücktritten geführt. Im vergangenen Jahr traten Kontaktmänner des Blattes an zwei FIFA-Funktionäre heran. Sie gaben vor, die Fußball-WM in die USA holen zu wollen, und boten den Funktionären hohe Summen. Die FIFA-Leute zeigten sich interessiert. Als das Blatt die Rechercheergebnisse veröffentlichte, mussten sie ihren Hut nehmen.

Ein Jahr zuvor hatten sich Reporter des Blattes - getarnt als Lobbyisten - an ein Mitglied des britischen Oberhauses gewandt. Der Politiker signalisierte die Bereitschaft, für Geld Stimmung für bestimmte Gesetzesänderungen zu machen. Auch er musste gehen, als die „Sunday Times“ die Beweise veröffentlichte.

Strasser bezeichnete sich am Freitag als Opfer einer „Vernaderungskampagne“. Er habe die falschen Lobbyisten von Anfang an durchschaut. Daher sei er zum Schein auf ihr Geschäft eingestiegen und habe „ein österreichisches Corporate-Intelligence-Unternehmen (CIN Consult GmbH) beauftragt“, die vermeintlichen Lobbyisten zu durchleuchten.

Was Strasser nicht dazusagte: An dieser Firma ist er mit zehn Prozent beteiligt. Die Beteiligung hat er nicht dem EU-Parlament deklariert.

„Teil seiner Recherche“ sei es gewesen, den Antrag an Karas und Ranner weiterzuleiten, sagt Strasser. Antikorruptionsstaatsanwaltschaft und EU-Betrugsbekämpfungsbehörde ermitteln.