Plenarsaal im Europäischen Parlament
© BiiJii/CC-BY-SA-3.0Plenarsaal im Europäischen Parlament in Strasbourg
Nach einer Analyse von US-Ökonomen hat die Diätenerhöhung für Abgeordnete im EU-Parlament 2009 dazu geführt, dass sie weniger oft an Sitzungen teilnahmen.

In Großbritannien wird gerade darüber gestritten, ob die Diäten der Abgeordneten um 11 Prozent angehoben werden sollen. Das stößt auf großen Widerstand, schließlich wird auch im von der Finanzkrise gebeutelten Großbritannien ansonsten eine Sparpolitik verfolgt. Passend zur Diskussion ist nun eine Studie der US-Ökonomen Naci Mocan und Duha Altindag im Economic Journal erschienen, nach der höhere Diäten die Arbeitsmotivation von Abgeordneten senken könnten.

Untersucht haben die Wissenschaftler die Folgen der teils erheblichen Diätenerhöhung der Abgeordneten im EU-Parlament im Jahr 2009, indem sie die Daten der einzelnen Abgeordneten (z.B. von Votewatch) zwischen 2004 und 2011 analysierten. Bis zu dem Jahr hing die Bezahlung von den Mitgliedsländern ab. Dabei gab es gewaltige Unterschiede. Während ein italienischer Abgeordneter, der auch im italienischen Parlament fürstlich bezahlt wurde, 142.000 Euro verdiente oder ein österreichischer 111.000 Euro, erhielt ein polnischer gerade einmal 30.000 oder ein bulgarischer 10.000 Euro. Seit 2009 bekommen alle Abgeordneten 92.000 Euro im Jahr, weswegen viele EU-Abgeordnete teils deutlich mehr verdienen und damit teils auch deutlich mehr als Abgeordnete in ihren nationalen Parlamenten und einige weniger. Für die deutschen EU-Abgeordneten hat sich kaum etwas verändert. 2010 wurden die Diäten trotz Finanz- und Wirtschaftskrise auf 93.686 und 2011 auf 95.482 Euro erhöht.

Die Abgeordneten erhalten, genauer gesagt, ein monatliches Grundgehalt von 7.956,87 EUR brutto (38,5 % der Grundbezüge eines Richters am Europäischen Gerichtshof), abzüglich Steuern sind das netto 6.200 EUR. Dazu gibt es 4.299 Euro im Monat als Spesenvergütung - pauschal und steuerfrei. Die Reisen werden bezahlt. Für Assistenten können bis zu 19.709 Euro monatlich aufgewendet werden, es dürfen allerdings keine Familienmitglieder beschäftigt werden. Und für jeden Tag, an dem der Abgeordnete an einer Sitzung des Parlaments teilnimmt, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, erhält er noch einmal 304 Euro (2004 waren es noch 262 Euro) zusätzlich (auch wenn er möglichweise nur andere seine Anwesenheit bestätigen lässt).

Abgeordnete, so das Ergebnis der Studie, deren Diäten erhöht wurden, nahmen weniger oft an offiziellen Sitzungen teil, während diejenigen, die weniger verdienten, also beispielsweise die italienischen und österreichischen Abgeordneten, öfter anwesend waren. Pro Prozent Diätenerhöhung kam es zu einer Reduktion von 0,04 Prozent an Tagen, die die Abgeordneten im Parlament waren. Das ist natürlich nicht viel und machte bei französischen Abgeordneten, die immerhin 16.000 Euro im Jahr mehr verdienten, gerade einmal einen Tag aus. Wer mehr verdient, beteiligt sich auch weniger an Debatten, was sich an der Zahl der mündlichen und schriftlichen Fragen zeigt. Einen Einfluss auf Reden oder schriftliche Berichte ließ sich jedoch nicht feststellen. Abgeordnete von ärmeren Ländern, die proportional am meisten profitierten, reduzierten auch am meisten die Teilnahme.

Das ist eigentlich erstaunlich, erklärt sich aber wahrscheinlich durch die Sitzungsgelder. Wessen Einkommen gekürzt wurde, nimmt lieber öfter mal teil, um seine Diät aufzustocken. Wer mehr verdient, kann schon auch mal auf das Sitzungsgeld verzichten. Man sollte meinen, so schreiben die beiden Autoren, dass die Bedeutung der Arbeit eines Abgeordneten, der für Gesetze, den EU-Haushalt und die Kontrolle anderer EU-Institutionen mit verantwortlich ist, dafür sorgen sollte, "dass ihre Arbeit nicht vom Gehalt beeinflusst wird. Das Ergebnis unserer Analyse zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall ist."

Ist das Ergebnis verallgemeinerbar? Wohl kaum, die Einführung der gleichen Diäten war ein Ausnahmefall. Profitieren alle gleichermaßen von einer Erhöhung der Bezüge werden sich, sollte sie nicht beträchtlich sein, wohl keine großen Verhaltensveränderungen ergeben. Etwas anderes ist, wenn Abgeordnete zusätzlich mehr verdienen können, also mehr Nebenjobs haben. Dann steigern sie, wie gerade eine Studie über deutsche Bundestagsabgeordnete zeigte, ihr Einkommen auf Kosten der Arbeit, für die sie gewählt und bezahlt werden. Gleichwohl könnte die Studie über die Erhöhung der Diäten auch zeigen, dass die Abgeordneten nicht notwendigerweise aktiver werden, wenn sie mehr verdienen, es könnte nur sein, dass der Job attraktiver wird - allerdings nicht für diejenigen, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen und normalerweise weniger Einkommen haben, sondern für die kleine Schicht derjenigen, die sowieso schon mehr verdienen: die höheren Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst, die Juristen und andere Selbständige.