Stellt sich uns Menschen ein Problem, so denken wir über unterschiedliche Handlungen nach, erwägen mögliche Konsequenzen und entscheiden und letztlich für ein Vorgehen. Auch Roboter einen solchen Umgang mit Problemen - sogenanntes Probehandeln - beizubringen, ist das Ziel von Forschern des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (Cognitive Interaction Technology - CITEC) an der Universität Bielefeld. Bei dem von ihnen entwickelten Roboter, so berichten die Wissenschaftler, haben sie nun besondere Fähigkeiten gefunden: "Diese deuten darauf hin, dass der Roboter ein Bewusstsein entwickelt hat."

Bielefeld (Deutschland) - Wie die Forscher um Professor Dr. Holk Cruse im Rahmen des EU-Projekts "EMICAB" berichten, wurde - um das Ziel zu erreichen, einen Roboter zu entwickeln, der Probehandeln kann - ein reaktives System auf Insektenbasis entwickelt. Der Roboter mit Namen Hector ähnelt einer Stabheuschrecke und reagiert auf Umweltreize - kann also etwa über einen Stein klettern, wenn dieser im Weg liegt.
Roboter
© cit-ec.de / uni-bielefeld.deDer insektenartige EMICAB-Roboter "Hector".
Dieses Grundsystem haben die Forscher nun um kognitive Komponenten erweitert. Der Heuschrecken-Roboter kann dadurch so beispielsweise neue Verhaltensweisen erfinden und das Probehandeln erlernen. Diesen Prozess vollzieht der Roboter dann, wenn ein Problem auftritt, das das reaktive System allein nicht lösen kann - etwa wenn er in einem Loch gefangen ist und Wege finden muss, sich wieder daraus zu befreien. In einem solchen Fall schaltet sich Hectors kognitives System hinzu, sodass der Roboter unterschiedliche Verhaltensweisen durchspielt und "überlegt", welche Handlungsoptionen bestehen. Ganz nach dem Motto: Erst denken, dann handeln.

"Der Bau von Roboter Hector ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber die Simulation, das heißt sein virtuelles Gegenstück am Computer, ist zu 90 Prozent fertig gestellt", sagt Professor Cruse. "In der Theorie sind wir uns also schon sehr sicher, dass Hector Probehandeln kann." Am Projektende soll auch der reale Roboter - der bislang noch nicht vollständig fertig gestellt ist - zeigen können, dass er das Probehandeln beherrscht.

Nachdem das Basisziel erreicht worden war, untersuchten die Forscher, was der Roboter noch kann. "Dabei ergab sich, dass er gewisse emergente Fähigkeiten entwickelt hat, die auf ein Bewusstsein hindeuten", so Cruse. Gemeint sind damit Eigenschaften, die nicht in das System eingebaut wurden, schließlich aber trotzdem vorhanden sind."

Bislang ist die Annahme verbreitet, dass derartige emergente Eigenschaften, zu denen unter anderem die Kontrolle der Aufmerksamkeit und eben auch das Bewusstsein gehören, nur in komplexen Systemen möglich sind. "Unsere Forschung zeigt, dass auch weniger komplexe Systeme höhere Fähigkeiten entwickeln können", kommentiert Malte Schilling, Forschungspartner von Cruse.

Zu den Aspekten von Bewusstsein, die der Roboter entwickelt hat, zählen unter anderem Intentionen sowie die sogenannte globale Zugänglichkeit. Intentionen bezeichnen Zustände, bei denen das ganze Verhalten einem Ziel - beispielsweise der Futtersuche - untergeordnet ist. Mit globaler Zugänglichkeit ist gemeint, dass Gedächtniselemente zugänglich sind, auch wenn gerade etwas anderes gemacht wird. Beispielsweise ist jemand der läuft, trotzdem in der Lage nachzudenken und nebenbei noch etwas anderes zu machen.

"Diese und weitere Aspekte von Bewusstsein, die wir bei Hector finden konnten, sind sozusagen Abfallprodukte der eigentlichen Forschungsarbeit - allerdings sehr interessante", so Cruse abschließend. "Sie zeigen, dass wichtige Eigenschaften des Bewusstseins auch bei sehr kleinen Gehirnen, und eben auch in künstlichen Systemen, vorkommen können."

Erstpräsentation von Hector 2011



Quelle: cit-ec.de, uni-bielefeld.de