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© ReutersDie Soldaten der USS Ronald Reagan beim Einsatz Operation Tomodachi in Fukushima. Viele von ihnen wurden dabei offenbar radioaktiv verstrahlt und leiden nun an den Folgen
Nach Fukushima halfen die Soldaten der "USS Ronald Reagan" im Katastrophengebiet. "Operation Tomodachi" hieß die Mission. Jetzt sind 71 Soldaten erkrankt, auch an Krebs. Sie verklagen nun Tepco.

Von "gefrorener Pazifikluft" berichtet die Soldatin Lindsay Cooper, die metallisch geschmeckt habe, und mit ihren Kameraden an Bord des Flugzeugträgers USS Ronald Reagan habe sie darüber gelacht: "Hey, das ist radioaktiver Schnee."

Das war im März 2011, und die Reagan war im Zuge der Operation Tomodachi von einem Manöver vor Korea abkommandiert worden, um nach dem Erdbeben in Japan und dem daraus resultierenden Reaktorunglück in Fukushima erste Hilfe zu leisten. Inzwischen ist vielen der damaligen Besatzungsmitglieder das Lachen vergangen. Etliche leiden unter massiven Gesundheitsproblemen, darunter Fälle von Krebs und Erblindung.

"Meine Schilddrüse ist so aus dem Gleichgewicht, dass ich bis zu 30 Kilo in einem Monat verlieren und sie im nächsten zurückbekommen kann", sagt die mollige 24-jährige Cooper mit dem milieuspezifischen Tattoo im Dekolleté. "Mein Menstruationszyklus dauert sechs Monate und ich kann nicht schwanger werden." Cooper, Bootsmannsmaat 3. Klasse für den Flugbetrieb, fasst ihre Situation so zusammen: "Ich bin ruiniert."

Darum hat die Mutter einer vierjährigen Tochter zusammen mit 70 Kameraden Klage eingereicht gegen Tepco (Tokyo Electric Power Co.), den Betreiber von Fukushima. Ihr Vorwurf: Tepco habe die Gefahren durch die Verstrahlung nach der Kernschmelze im Reaktor herunter gespielt und die Kommandanten der Ronald Reagan ebenso wie rund 70.000 Helfer der ersten Stunden im Ungewissen gelassen über die immensen Gefahren.

Ein Bad im radioaktiv verseuchten Meer

Die US-Marinesoldaten seien der Kontamination dauerhaft ausgesetzt gewesen, sagt einer ihrer Anwälte, Charles Bonner aus Kalifornien. "Viele Soldaten sprangen ins Wasser, um Menschen zu retten, ohne zu wissen, dass genau zu diesem Zeitpunkt Tepco Millionen von Gallonen von radioaktivem Wasser in den Pazifik fließen ließ", so Bonner.

Die US-Marine widerspricht der Darstellung. Einer ihrer Sprecher versichert, die Mannschaft sei nicht genügend Radioaktivität ausgesetzt gewesen, um lang anhaltende Gesundheitsprobleme auszulösen.

"Zum Vergleich, die Strahlung, der ein Crewmitglied der USS Ronald Reagan im schlechtesten Fall ausgesetzt war, betrug weniger als 25 Prozent der jährlichen Strahlung, der US-Bürger durch natürliche Quellen wie Sonne, Felsen oder Erde ausgesetzt sind", so Leutnant Greg Raelson. Dennoch seien die Soldaten an Bord des Flugzeugträgers mit Medikamenten zum Schutz der Schilddrüse ausgestattet worden, und die Strahlenbelastung des Schiffes sei ständig überwacht worden. Die Ausrüstung sei immer wieder gewaschen worden, um eventuellen radioaktiven Niederschlag zu entfernen.

Doch die Soldaten und ihre Anwälte lassen sich davon nicht überzeugen. Denn gewaschen wurde mit dem Wasser aus dem Pazifik, das zuvor durch eine Entsalzungsanlage an Bord des Schiffes gepumpt worden war. Dieses Wasser wurde auch zum Duschen und Zähneputzen genutzt.

Hodenkrebs und blind auf beiden Augen

Paul Carlson Garner, ein weiterer Anwalt der 71 Kläger, berichtet von einem 22-jährigen Soldaten, bei dem sich nach dem Einsatz ein Tumor im Kopf entwickelt habe. Der junge Mann sei dadurch auf beiden Augen erblindet. Er sei zudem an Leukämie erkrankt, obwohl es in seiner ganzen Familiengeschichte keine vergleichbaren Symptome gebe. Andere hätten Hodenkrebs.

"Das sind Gesundheitsprobleme, die ohne jeden Bezug zur medizinischen Geschichte ihrer Familien aufgetreten sind, und die einzige Begründung, die denkbar ist zu diesen lebensbedrohlichen Erkrankungen ist, dass sie der Radioaktivität ausgesetzt waren während der Operation Tomodachi."

Man habe den Seeleuten gesagt, sie operierten in einer Zone mit geringer Strahlenbelastung, aber vom 12. März 2011 an seien sie für mindestens drei Wochen offenkundig einer hohen Radioaktivität ausgesetzt gewesen. Das gelte für 70.000 Helfer, die im ersten Einsatz Tepcos zweitgrößtes Büro außerhalb Japans ist in Washington D.C.

US-Marine kann nicht verklagt werden

Der Prozess wird jedoch angestrengt im kalifornischen San Diego, dem Heimathafen der USS Ronald Reagan. Laut Bonner wird das Unternehmen, das wegen seines Verschweigens der tatsächlichen Strahlenbelastung für die Krankheit verantwortlich sei, auf einen nicht festgelegten Schadenersatzbetrag verklagt.

Die US-Marine oder die Regierung selbst sind nicht beklagt. Entsprechend der "Feres-Doktrin", die auf einem Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1950 basiert, können Militärangehörige nicht das Verteidigungsministerium oder die USA wegen Verwundungen oder Erkrankungen verklagen können, die sie während ihres Einsatzes erlitten haben.

Garner hatte die Klage gegen Tepco bereits vor einem Jahr angestrengt. Doch ein Bundesrichter im südlichen Kalifornien nahm die Klageschrift seinerzeit nicht an. Der Anwalt durfte aber zu Beginn dieser Woche eine abgespeckte Version einreichen, in der er unter anderem einen Verschwörungsvorwurf gegen das Unternehmen fallen ließ.