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Gentechnik auf dem Tisch
Brüssel - Der umstrittene Genmais 1507 steht vor einer Zulassung in der EU - obwohl die große Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen ist. Bei einer Sitzung von Ministern der EU-Staaten gab es am Dienstag in Brüssel bei deutscher Enthaltung keine ausreichende Mehrheit gegen eine Anbauerlaubnis. Die EU-Kommission muss den Mais nun gegen den Willen der meisten EU-Staaten genehmigen.

Die Aussicht auf die Genehmigung sorgte in der Ministerrunde für heftige Kritik. "Wenige Wochen vor der Europawahl die Zulassung zu erteilen, ist besonders schädlich für das Ansehen der Europäischen Union und ihrer Institutionen", warnte Frankreichs Europaminister Thierry Repentin. Der Vorgang sei "dramatisch für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union", kritisierte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz.

Zwar lehnten 19 der 28 Mitgliedstaaten den Anbau der Genmaissorte ab, für eine Blockade wäre aber eine qualifizierte Mehrheit nötig gewesen. Die kam nicht zustande, da sich das Stimmengewicht unter anderem nach der Einwohnerzahl richtet. Die bevölkerungsreichen Staaten Großbritannien und Spanien etwa waren für den Anbau. Und obwohl Umfragen zufolge die Mehrheit der Deutschen Gentechnik ablehnt, stimmte auch Deutschland nicht gegen die Anbauzulassung, sondern gehörte zu den vier Ländern, die sich enthielten.

In der Bundesregierung gibt es keine klare Linie: Während SPD und CSU den Anbau ablehnen, ist die CDU dafür. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erfülle damit ganz eindeutig nicht die Erwartungen der Menschen in Deutschland, sagte der Gentechnik-Experte der Grünen, Harald Ebner, der Nachrichtenagentur AFP.

"Das ist eine heiße Kartoffel", beurteilte der zuständige Gesundheitskommissar Tonio Borg die Lage. Weil die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA in sechs Bewertungen keinen Einwand gegen den Anbau der Genmaissorte erhoben hat, ist die EU-Kommission nun rechtlich zu einer Zulassung verpflichtet. Offen ließ Borg, wann die Kommission die offizielle Entscheidung trifft.

"Wir warten jetzt darauf, dass die EU-Kommission unser Produkt am liebsten früher als später endgültig genehmigt", sagte der Sprecher von Pioneer Dupont Europe, Jozsef Mate, AFP. Es gebe aber keinen Grund zum Feiern, fügte er mit Blick auf den bereits 13-jährigen Zulassungsprozess für den Anbau hinzu. Der Mais des US-Unternehmens ist in der EU bereits für die Verarbeitung in Lebens- und Futtermitteln zugelassen.

Die Pflanze wurde so verändert, dass sie gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat resistent ist. Außerdem produziert der Mais ein Insektengift, um sich vor dem Maiszünsler zu schützen. Mit dem Schädling haben auch deutsche Bauern zu kämpfen. Umweltschutzorganisationen warnen jedoch, dass die Folgen für die Umwelt und Risiken für andere Insekten wie Bienen und Schmetterlinge nicht ausreichend geklärt seien. Greenpeace erklärte, die EU-Kommission handele "illegal", wenn sie den Mais trotz dieser Risiken und des Widerstandes unter den EU-Staaten zulasse.

Borg schlug eine erneute Diskussion über einen blockierten Vorschlag der Kommission vor, nach dem die Mitgliedstaaten eine für die EU zugelassene Genpflanze national verbieten dürfen. Jedes Land solle eigenständig entscheiden können, signalisierte Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Zustimmung. "Wir wollen den Anbau dieser neuen Sorte Pioneer 1507 in Deutschland nicht haben", sagte er im Radiosender Bayern 2.