Pinochet
© reuters/DautDer Haftbefehl gegen Pinochet, der von einem spanischen Richter erlassen wurde, sorgte 1998 für weltweites Aufsehen .
Madrid. - Als Spanien das Weltrechtsprinzip im Jahr 1995 in seinem Strafrechtskatalog verankerte, war der Boden schon ein Stück weit von Belgien bereitet worden. Dort hatte die Regierung bereits zwei Jahre zuvor ein bemerkenswertes Experiment gestartet und die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auch dann juristisch verfolgt werden, wenn der Tatort außerhalb des Landes liegt und Opfer und Täter keine Belgier sind.

Doch in keinem Staat wurde das Weltrechtsprinzip in der Vergangenheit so konsequent umgesetzt wie in Spanien. Im Jahr 1998 erließ der später als "Tyrannen-Jäger" bekannt gewordene Richter Baltasar Garzón einen internationalen Haftbefehl gegen der chilenischen Ex-Machthaber Augusto Pinochet, dem er das gewaltsame Verschwindenlassen von Regierungsgegner sowie Folter und Mord vorwarf. Pinochet wurde daraufhin in London verhaftet und verbrachte die folgenden 18 Monate unter Hausarrest. Erst eine persönliche Anweisung des britischen Innenministers Jack Straw ermöglichte dem damals 85-Jährigen die Heimkehr nach Chile. 2003 versuchte ein anderer Richter, das US-Militär für den Tod eines spanischen Kameramanns zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser war ums Leben gekommen, als ein amerikanischer Panzer ein Hotel in Bagdad beschossen hatte.

Doch in Zukunft wird es wohl weder einen weiteren Fall Pinochet geben noch andere Untersuchungen, die sich auf das Weltrechtsprinzip stützen. Denn das spanische Abgeordnetenhaus nahm am späten Dienstagabend einen von der Regierung eingebrachten Entwurf für eine Gesetzesreform an, der der Justiz nun deutlich engere Grenzen setzt. Laut dem Entwurf, der nach Vorstellung der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy schon in etwa zwei Monaten in Kraft treten soll, darf dann nur noch ermittelt werden, wenn Täter und Opfer Spanier beziehungsweise in Spanien lebende Ausländer sind.

Bei der Debatte vor der Abstimmung hatte die linksgerichtete Opposition der Regierung vorgeworfen, sich "dem Druck mächtiger Länder" zu beugen. Gemeint ist vor allem China. Erst am Montag hatte ein Richter am Nationalen Gerichtshof in Madrid Haftbefehle gegen den früheren chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin, Ex-Ministerpräsident Li Peng und drei weitere ehemalige Führer der Volksrepublik erlassen. Die zugrunde liegende Klage einer Menschenrechtsinitiative, die den chinesischen Spitzenpolitiker Völkermord in Tibet vorwirft, war bereits vor fünf Jahren zugelassen worden, weil einer der Kläger die spanische Staatsbürgerschaft besitzt.

Peking hatte Madrid schon vor Monaten deutlich gemacht, dass die Ermittlungen eine ernsthafte Gefahr für die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern darstellen. Und unmittelbar vor der Abstimmung hatte die Volksrepublik noch einmal nachgelegt. "China ist zutiefst unzufrieden und lehnt die falschen Handlungen der spanischen Stellen ab", sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying. Peking hoffe, darauf dass die spanische Regierung "angemessen mit dieser Angelegenheit umgeht - und richtig und falsch zu unterscheiden vermag".