Die Durchsuchungen bei Sebastian Edathy waren möglicherweise wirkungslos. Nach Ansicht der Ermittler grenzt die Information der SPD-Spitze an Strafvereitelung.
sebastian edathy
Die Ermittler in Hannover sind verärgert über die Weitergabe von Informationen im Fall Sebastian Edathy. "Das grenzt an Strafvereitelung", sagte ein Vertreter der Ermittlungsbehörden. Dass der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober 2013 über den Verdacht im Zusammenhang mit Kinderpornografie gegen Edathy informiert hat, habe die Ermittlungen erheblich behindert. "Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben."

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover sagte der Zeitung Die Welt: "Wenn Informationen über mögliche strafrechtliche Ermittlungen durchgestochen werden, ist das stets ein Vorgang, der Ermittlungen einer Staatsanwaltschaft erheblich gefährden kann." Zuvor war bekannt geworden, dass die SPD-Spitze bereits im Oktober 2013 aus dem Bundesinnenministerium über mögliche Ermittlungen informiert wurde. Edathy soll dem Zeitungsbericht zufolge spätestens im Dezember 2013 von einem Verdacht gegen ihn erfahren haben.

Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben am Montag bei den Durchsuchungen in Büros und Wohnungen des SPD-Politikers Sebastian Edathy nur wenig Material gefunden. Man sei lediglich auf schriftliche Dokumente gestoßen, sagte ein Vertreter der Ermittlungsbehörden. Am Mittwoch sei noch ein Computer aus einem Büro in Edathys Heimatort Rehburg mitgenommen worden. Weitere Rechner seien offensichtlich zuvor entfernt worden.

Zerstörte Beweise und vernichtete NSU-Unterlagen

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und des NDR fanden die Ermittler bei ihrer Durchsuchungsaktion auch Teile einer oder mehrerer zerstörter Festplatten. Sie seien durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand möglicherweise irreparabel beschädigt worden.

Edathy hat dem Bericht zufolge gegenüber Vertrauten bestritten, Beweismittel vernichtet zu haben. Lediglich eine Festplatte mit Unterlagen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss sei zerstört worden.

Ermittlungen gegen Friedrich gefordert

Auch Ex-Innenminister Friedrich gerät inzwischen unter Druck: FDP-Vize Wolfgang Kubicki fordert von der Staatsanwaltschaft in Niedersachsen, umgehend gegen Friedrich zu ermitteln wegen des möglichen Verrats von Dienstgeheimnissen und wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Auch müsse Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) "klar, schnell und unmissverständlich" erklären, was er wann von Ermittlungen gegen den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy gewusst habe. Dieser ließ über einen Sprecher des Bundestags ausrichten, er sei nicht vorab über mögliche Ermittlungen informiert worden.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, Friedrichs Auskunft gegenüber Gabriel sei im Oktober gewesen, dass es sich im Fall Edathy "ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte" gehandelt habe. Gabriel habe dann ihn selbst und Frank-Walter Steinmeier, damals Fraktionsvorsitzender und heute Außenminister, informiert. Im Dezember wurde auch die SPD-Politikerin und heutige Fraktionsgeschäftsführerin, Christine Lambrecht, von Oppermann eingeweiht. Weiter sagte Oppermann, er habe sich die Informationen in einem Telefonat mit dem Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, bestätigen lassen.

Friedrich verteidigte sein Vorgehen. "Für den Minister war wichtig, dass es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren", sagte sein früherer Sprecher im Innenressort, Jens Teschke. Aufgrund der "politischen Dimension" des Falls und angesichts der Gefahr, dass die Namensliste öffentlich werden könnte, habe er Gabriel in einem vertraulichen Gespräch informiert.

Fall Edathy wurde auch im BKA erörtert

Nach Informationen der Bild wurde der Fall im Oktober bei einem Treffen von Ziercke mit dem damaligen Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche im Bundesinnenministerium vertraulich erörtert. Ziercke habe Fritsche "über einen begründeten Anfangsverdacht wegen des Besitzes von kinderpornografischen Schriften" gegen Edathy informiert. Friedrich habe den Fall danach am Rande der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD mit Gabriel besprochen.

Dass das BKA in den Fall involviert war, verwundert wiederum die Ermittler in Hannover. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte dem Tagesspiegel, das BKA sei keine Behörde, die in solchen Fällen selbst ermittle. "Wir sind überrascht, dass das Bundeskriminalamt Informationen zu dem Fall an die SPD gegeben haben soll", sagte die Sprecherin.

Ziercke erklärt sich in einer Mitteilung

Ziercke schreibt dazu in einer Erklärung: "SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat mich im Oktober 2013 angerufen und mir über den Inhalt eines Gesprächs berichtet, das der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit Herrn Oppermann geführt habe. Darin sei es um Ermittlungen im Ausland gegangen, in deren Rahmen der Name von Herrn Edathy aufgetaucht sei. Diese Darstellung habe ich mir angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt."

Edathy hatte am vorigen Freitag nach mehr als 15 Jahren im Bundestag sein Mandat niedergelegt und dafür gesundheitliche Gründe genannt. Nach Bekanntwerden von Ermittlungen und Durchsuchungen in seinen Wohnungen und Büros, hat der 44-jährige den Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie zurückgewiesen. Edathy hatte sich als Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses zu den Morden der rechtsextremen NSU einen Namen gemacht.

dpa, sk