Ein großer Skandal erhitzt die Gemüter in Großbritannien, nachdem bekannt wurde, dass zwei Generäle kurz nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst für wichtige Vertragspartner des Verteidigungsministeriums arbeiten und damit Einfluss auf die Politik nehmen. Der Vorfall wirft ein Licht darauf, dass systematische Einflussnahme und Missbrauch des Vertrauens der Öffentlichkeit in der EU und auch in den USA völlig außer Kontrolle geraten sind, wodurch der billionenschweren NATO-Waffenindustrie Steuergelder zufließen.

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Britische Medien haben einen Skandal ans Licht gebracht: Zwei Generalleutnants, die in den vergangenen eineinhalb Jahren aus den Streitkräften ausschieden, arbeiten heute für Unternehmen, die sich um einen staatlichen Vertrag im Umfang von 500 Millionen Euro bewerben, über dessen Vergabe in den nächsten Wochen entschieden werden soll.

Generalleutnant Sir Mark Mans, ehemals Mitglied des Defence Infrastructure Board [Gremium für Verteidigungsinfrastruktur], verließ die Streitkräfte im Dezember 2012. Drei Monate später wurde er von der Firma Capita Defence Services als nicht geschäftsführender Direktor angestellt. Capita ist Teil eines Konsortiums, das sich um den 500 Millionen Euro schweren Vertrag über den Betrieb der so genannten Defence Infrastructure Organisation (DIO,Organisation für Verteidigungsinfrastruktur) bewirbt. Die eigentliche Frage ist dabei nicht über den Vertrag über 500 Millionen Euro an sich, der für einen Verteidigungsbezogenen Vertrag relativ klein ist. Die Übernahme der DIO selbst würde dem privaten Unternehmen potenziell den Weg ebnen, die Kontrolle über das Management der Vermögenswerte von atemberaubendem Wert zu erhalten.

Die DIO ist für sämtliche Immobilien der Streitkräfte im Vereinigten Königreich zuständig. Formell ist sie als Abteilung des Verteidigungsministeriums (MoD, Ministry of Defence) verantwortlich für alle Gebäude, Infrastruktur und Grundbesitz der britischen Streitkräfte. Sie hat die Aufsicht über 2400 Quadratkilometer Boden, das ist ungefähr ein Prozent des britischen Staatsgebiets. 2011 wurde die Betriebsstruktur privatisiert, jetzt läuft das Bieterverfahren, welches Unternehmen die Kontrolle über das Management (sic) erhält.

Für das Unternehmen, das das Bieterverfahren für die Kontrolle über die DIO gewinnt, ist der Weg frei zu gewaltigen Vermögenswerten. Unter der konservativen Regierung Cameron sollen zahlreiche militärische Stützpunkte und Vermögenswerte verkauft werden, um die Streitkräfte zu »verschlanken«.

Die Bestandsimmobilien der Behörde reichen von Marinestützpunkten und Flugplätzen bis zu Wohnhäusern für Angehörige der Streitkräfte und militärischem Übungsgelände. Viele davon sind Nationalerbe oder archäologisch von Bedeutung. Außerdem ist die Behörde für die ausländischen Besitztümer des Verteidigungsministeriums zuständig. Schon früher war Missbrauch von Steuergeldern ans Licht gekommen, als die Regierung und der Vorläufer der DIO im Verteidigungsministerium 1996 den größten Teil des Wohnraums der Streitkräfte an die private Firma Annington Homes verkaufte, die die Häuser dann an das Verteidigungsministerium zurückleaste. Dadurch fielen für den Wohnraum, der den Staat vorher nichts gekostet hatte, nun Kosten in Millionenhöhe an. Jetzt wird diejenige der drei Privatfirmen, die den Zuschlag erhält, die Aufsicht über den Verkauf von erstklassigem Land und Vermögenswerten im Millionenwert führen. Die Alarmlampen für geheime Absprachen und Korruption sollten hell aufleuchten.

Eine zweite Privatfirma, die um die Übernahme der DIO noch im Rennen liegt, ist die Telereal Trillium. Telereal hat soeben Generalleutnant Sir Gary Coward, ehemals Commander (Land), Defence Equipment and Support [Kommandant für Ausrüstung], zum Berater ernannt, nur acht Monate, nachdem er aus der Armee ausgeschieden war. Er soll die Telereal Trillium bei »Angebot und Verhandlung über die strategische Geschäftspartnerschaft mit der Defence Infrastructure Organisation« beraten, wie das Advisory Committee on Business Appointments (ACOBA) mitteilt. ACOBA ist ein Gremium, das die Regierung über mögliche Interessenskonflikte berät, wenn sich ehemalige Minister und hohe Beamte um Posten in der Industrie bewerben, damit mögliche »Drehtür«-Interessenskonflikte vermieden werden. Cowards und Mans‘ Anstellungen wurden von ACOBA und von Premierminister Cameron genehmigt.

Das jüngste Beispiel der »Drehtür« - der Begriff besagt, dass Minister und hohe Verwaltungsbeamte lukrative Posten in der Privatwirtschaft übernehmen, bei denen sie ihre Kenntnisse und Kontakte aus der früheren Tätigkeit nutzen - hat erneut zu der Forderung geführt, die ACOBA abzuschaffen.

Arbeitsminister Paul Flynn erklärte: »Was für Politiker und oberste Beamte die Krönung ihrer Karriere sein sollte, ist es jetzt nicht mehr. Diese Posten werden jetzt als Sprungbrett für einen wohlversorgten Ruhestand betrachtet.« Flynn warf der ACOBA vor, »bestenfalls impotent« zu sein, das gegenwärtige System lade »geradezu ein zur Korruption«. Ein Sprecher der Gewerkschaft der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst (Public and Commercial Services Union) betonte: »Wir hätten erheblichen Grund zur Besorgnis, wenn dieser Vertrag an ein Unternehmen mit so offensichtlichen Verbindungen zu kürzlich in den Ruhestand getretenen Offizieren vergeben würde.«