© picture-alliance/dpaAngeklagte in China nehmen ihr Todesurteil entgegen. Schätzungen zufolge wurden im vergangenen Jahr mehrere tausend Hinrichtungen vollzogen.
In keinem anderen Land der Welt werden so viele Menschen hingerichtet wie in China. Das geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hervor. Eine gerade beschlossene Rechtsreform dürfte an Chinas traurigem Weltrekord kaum etwas ändern.Amnesty International geht davon aus, dass in China im vergangenen Jahr mehrere tausend Menschen hingerichtet wurden. Das ist mehr als im Rest der Welt zusammengenommen. In anderen Staaten der Welt wurden insgesamt 527 Todesurteile vollstreckt. In China können viele Delikte mit dem Tod bestraft werden - nicht nur Mord, sondern auch Korruption und andere Wirtschaftsdelikte. Man brauche die Todesstrafe zur Abschreckung, heißt es zur offiziellen Begründung.
Wer sich auf den Straßen Pekings umhört, bekommt für die Regierungslinie viel Zustimmung. "Ich denke, wir brauchen die Todesstrafe, anderenfalls wäre die Gesellschaft zu chaotisch", sagt ein Passant. Jedes Land habe seine eigene spezielle Situation, das gelte auch für China. Vor allem die in China weit verbreitete Korruption bringt die Leute auf die Palme. "Die einfachen Leute hassen nichts mehr als Korruption. Selbst wenn man einen korrupten Beamten zehnmal erschießt, wird man seinen Hass nicht los", sagt eine Frau. Ihrer Meinung nach können im Kampf gegen Korruption die Strafen gar nicht hart genug sei - sie alle sollten mit dem Tod bestraft werden.
Keine öffentlichen Hinrichtungen mehrTrotz der harten Strafen in China hat sich der Umgang mit der Todesstrafe seit der Öffnung des Landes vor 30 Jahren langsam verändert. Jahrelang wurden verurteilte Todeskandidaten öffentlich vorgeführt. Öffentliche Hinrichtungen durch Erschießen waren üblich, wurden aber Ende der 80er Jahre verboten - sie schädigten das Ansehen des Landes. Heute würden Todesurteile in Todeszellen oder speziellen Hinrichtungsbussen vollstreckt, berichtet die kalifornische Gefangenenhilfsorganisation Dui Hua.
Tödliche Giftspritzen ersetzen immer häufiger die Gewehrkugeln. Und seit der Oberste Gerichtshof seit 2007 jedes Todesurteil überprüfen muss, sei die Zahl der Hinrichtungen gesunken, sagt der Rechtsexperte Liu Renwen von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. "Dadurch will man erreichen, dass die Provinzen zurückhaltender sind beim Verhängen der Todesstrafe, so dass die Zahl der Todesurteile weiter zurückgeht", glaubt Liu Renwen.
© picture-alliance / dpaZurschaustellung Verurteilter: Bis vor wenigen Jahren fanden Hinrichtungen in China auch vor den Augen tausender Zuschauer statt, etwa in Stadien, wie hier 2001 in Chengdu.
Die genaue Zahl der Todesurteile ist immer noch ein streng gehütetes Staatsgeheimnis. Chinesische Experten reden darüber nur hinter vorgehaltener Hand - sie fürchten, sonst in Schwierigkeiten zu geraten. Menschenrechtsgruppen wie die Dui-Hua-Stiftung gehen davon aus, dass die Zahl der Hinrichtungen innerhalb der letzten zehn Jahre von etwa 10.000 pro Jahr auf die Hälfte gesunken ist. Offenbar will man die Zahlen auch in Zukunft weiter drücken, aber für eine Abschaffung der Todesstrafe seien die richtigen Bedingungen immer noch nicht gegeben, heißt es in der chinesischen Führung.
Vorsichtige Reform des StrafrechtsAuch Professor Liu, selbst ein erklärter Gegner der Todesstrafe, sieht dafür derzeit kaum Chancen. Die Gesetze müssten die harmonischen Werte der Gesellschaft widerspiegeln und den Willen und die Forderungen der Mehrheit der Bevölkerung. "Daher kann man die Todesstrafe nur Schritt für Schritt reduzieren", sagt Liu. Seiner Meinung nach wäre es sehr schwierig, sie von einem Tag auf den anderen abzuschaffen.
© picture-alliance / dpaIn einem der größten Korruptionsprozesse Chinas wurden im Jahr 2000 14 Todesurteile verhängt. Das Archivbild von November 2000 zeigt einige der Verurteilten.
Zumindest eine vorsichtige Reform der Todesstrafe hat China vor einem Monat auf den Weg gebracht. Bislang konnten 68 Delikte mit dem Tod bestraft werden, künftig sollen 13 Straftatbestände von der Höchststrafe ausgenommen werden - darunter das Schmuggeln seltener Tiere und das Plündern archäologischer Ausgrabungsstätten. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass die Reform die Zahl der jährlichen Hinrichtungen kaum beeinflussen wird. Denn viele Delikte auf der Reformliste - wie etwa Mehrwertsteuerbetrug - wurden auch schon in den vergangenen Jahren nicht mehr mit dem Tod bestraft.
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