Innovation kann manchmal ungewöhnliche Ursachen haben und zudem äußerst simple Wege gehen. Ein deutscher Architekt hat nun Glaskugeln konstruiert, die als sehr effiziente Sonnenkollektoren dienen. Die im Wortsinne auch optisch ansprechende Erfindung steht bereits im Finale zum World Technology Award.
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Was auf den ersten Blick ein wenig nach der Kreuzung zwischen einem Betonmischer, einem Kleinplanetarium und dem wohl wichtigsten Wahrsager-Accessoire aussieht, ist in Wirklichkeit der Prototyp eines neuartigen Sonnenkollektors. Entwickelt wurde das System vom deutschen Architekten und Unternehmer André Brößel, dessen junge Firma "Rawlemon Solar Architecture" mit Sitz in Barcelona derzeit mit so schlichten wie innovativen Ideen von sich reden macht. Tatsächlich ist das Grundprinzip sehr einfach. Es resultiert zum Teil aus einer ästhetisch bedingten Abneigung gegen die üblichen flächigen Solarkollektoren. Dieser Aspekt wird zudem perfekt durch funktionelle Verbesserungen des optisch weit ansprechenderen neuen Konzepts ergänzt.

Sicher, über Geschmack lässt sich streiten, und was dem einen als monströses Glubschauge erscheint, wirkt auf den anderen avantgardistisch überzeugend und durchaus von abstrakter Schönheit geprägt. Fakt dabei ist hingegen, dass hier die natürliche Lichtenergie auf eine sinnvolle, weil offenbar hocheffiziente Weise genutzt wird, unter Einsatz konventioneller Technologie: Eine mit Wasser gefüllte Glaskugel bündelt das Licht mit bis zu 20 000-facher Verstärkung auf Fotovoltaikzellen, anschließend wandeln thermische Mini-Generatoren diese Energie in elektrischen Strom. Zur Pufferung wird sie in großen Batterien gespeichert.

Um den für einen hohen Wirkungsgrad erforderlichen Einstrahlungswinkel von 90 Grad trotz eines sich im Tagesverlauf ändernden Sonnenstands aufrecht zu erhalten, wird das System mit einem Microtrackernachgeführt. Im Grunde nichts anderes als eine simple äquatoriale Einachs-Nachführung. Vergleichbar effektive Konstruktionen für flache Dachpaneele wären nur komplex und teuer zu realisieren. Sie werden derzeit eher in großen solarthermischen Kraftwerken umgesetzt. Dort befinden sich dann Reflektoren oder Absorber in permanenter Nachführbewegung. Das Für und Wider solcher Großkonzepte »erneuerbarer Energien« wird neben vielversprechenden Konzepten von Overunity-Systemen ausführlicher in Energie ohne Ende diskutiert. Schnell wird dabei klar, dass zahlreiche vermeintlich nutzbringende und umweltfreundliche Projekte auch erhebliche Schattenseiten haben können und vielfach nur Notlösungen darstellen können, wenn überhaupt. Immerhin aber gibt es auch hier einige Ansätze, um natürlich verfügbare Energie effektiver gewinnen zu können.


Das Rawlemon-Konzept soll die einzigartige Kugelgeometrie mit nachgeführten Fotovoltaik-Elementen so optimal nutzen, dass sich nicht nur pralles Sonnenlicht für die Energiegewinnung eignet, sondern auch diffuses Licht bei bewölktem Himmel, der in Deutschland bekanntlich einen sehr hohen Anteil stellt. Doch selbst Mondlicht als »geborgtes«, zur Erde reflektiertes Sonnenlicht lässt sich noch Energie liefernd aufsammeln.

Dabei strahlt unser Erdbegleiter lediglich einen Anteil von rund sieben Prozent des empfangenen Sonnenlichts wieder zurück, die Rückstrahlfähigkeit oder Albedo seiner Oberfläche ist somit geringer als man angesichts eines hell leuchtenden Vollmondes eigentlich erwarten würde.

Insgesamt überzeugt die neue Technologie in vielen Aspekten. Gegenüber herkömmlichen Systemen werden rund 18 Prozent weniger Solarmodule benötigt, gleichzeitig bedingt die Kugelfläche einen Zuwachs an Apertur, sprich: »freier Öffnung«, um immerhin 57 Prozent gegenüber der üblichen Bauweise.

Viele Anordnungen und damit auch stilistisch gelungene Verbindungen mit verschiedenen architektonischen Elementen sind gut möglich. Systeme mit einer Gesamthöhe von zwei Metern können aktuellen Angaben zufolge ausreichend Sonnenenergie wandeln, um ein Elektroauto aufzuladen.

In Gebäudemauern oder Fensterfronten integriert, würden die Kugeln das verfügbare Licht mit einem Wirkungsgrad von 50 Prozent als Hybridtechnologie in elektrische und thermische Energie umsetzen. Laut Brößel kann ein entsprechend ausgestattetes Gebäude mehr Energie »erzeugen« als es nutzt. Daraus, dass rund 75 Prozent des eingestrahlten Sonnenlichts abgefangen würden, resultiere eine natürliche Kühlung des Gebäudes. Eine Serienproduktion der Energie-Sphären ist in etwa vier bis fünf Jahren geplant. Die Jury des zuweilen mit einem »Oskar der Technikbranche« verglichenen World Technology Award ist bereits voll von den energiereichen Rawlemon-Glaskugeln überzeugt. So befindet sich das Projekt schon unter den diesjährigen Finalisten. Die Preisverleihung findet am 15. November 2014 in New York statt.

Fraglos eine interessante Technologie. Bleibt vielleicht auf weiterer Ebene zu ergänzen, dass sie im Sinne exotischerer Konzepte, vor allem der vielfach noch umstrittenen Overunity-Systeme, höchstens eine Übergangstechnologie darstellt. Teils wurde bemerkenswerte, offenbar vielfach unterschätzte Pionierarbeit geleistet - schnell werden unmögliche »Perpetuum-mobile-Erfindungen« unterstellt, wo es schlichtweg um Zugriff auf gänzlich neue Energiequellen geht. Das Potenzial jener Innovationen wird entweder gar nicht erfasst oder in einigen Kreisen gegenwärtig nicht gewünscht, sofern es darum geht, andere Zweige der Energieindustrie aufrecht zu erhalten. Einige sogar von ausgebildeten Physikern vorgestellte Technologien dürften zudem derzeit noch viel zu utopisch daherkommen, weil scheinbar nicht mit der etablierten Lehre vereinbar, sodass diese Experten bei konservativeren Fachkollegen kaum Gehör finden. Dieser Prozess wird sicherlich noch eine ganze Weile andauern. Genau deshalb ist die Bedeutung von Übergangstechnologien nicht zu unterschätzen, eben genau wie die bemerkenswerte Erfindung von André Brößel.