Beda Hofmann
© Keystone« Die Atmosphäre der Erde wirkt wie eine Schutzhülle »: Beda Hofmann, Leiter der Abteilung Erdwissenschaften am Naturhistorischen Museum Bern.
Ein Video zeigt einen 450-Kilogramm-Meteorit, der auf dem Erdtrabanten aufschlägt. Was hätte derselbe Brocken auf der Erde verursacht? Dazu der Berner Geowissenschaftler Beda Hofmann.

Gestern wurde das Video eines Meteoriteneinschlags auf dem Mond veröffentlicht. Wie schätzen Sie dieses Ereignis ein?

Die Grösse des Meteoriten von rund 450 Kilogramm ist an sich nichts Aussergewöhnliches. Die Erde selbst wird jedes Jahr von mehreren solchen Objekten getroffen. Was aussergewöhnlich ist, ist, dass der Einschlag auf Video festgehalten wurde.

Wieso merken wir nichts davon, dass die Erde jedes Jahr von mehreren solchen Meteoriten getroffen wird?

Die Atmosphäre der Erde wirkt wie eine Schutzhülle. Eintretende Objekte werden aufgrund von Reibungskräften abgebremst. Dadurch werden grosse Energiemengen freigesetzt, die zum Verdampfen der eintretenden Meteoriten führen. Auf dem Mond hingegen treffen die Meteoriten ungebremst auf der Oberfläche auf. Vergleichsweise kleinere Objekte können deshalb schon zu grossen Einschlagskratern auf dem Mond führen.

Der nun auf dem Mond eingeschlagene Meteorit hätte auf der Erde also kaum spürbare Konsequenzen gehabt?

Ja. Bei einem Meteoriten dieser Grösse würden mindestens 90 Prozent der Masse in grosser Höhe verdampfen. Möglicherweise würden einzelne Bruchstücke auf der Erde eintreffen. Dies hängt aber stark von der Beschaffenheit und der Geschwindigkeit des Meteoriten ab und ist in diesem Fall nicht abschätzbar. Einen Einschlagskrater hätte es aber bei einem vergleichbaren Meteoriten auf der Erde unmöglich gegeben.

Wie viel grösser müsste denn ein Meteorit sein, damit es auf der Erde zu einem wirklichen Einschlag kommen würde?

Auch dies hängt stark von verschiedenen Faktoren ab und ist nur schwer zu sagen. Bei einem Eisenmeteoriten, der zu den stabilsten Meteoriten gehört, müsste sich das Gewicht aber schon im Bereich von einigen Hundert Tonnen bewegen.

Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario?

Je grösser der Meteorit, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit. Sicher ist, dass es nicht unmöglich ist. Allerdings sehe ich für die Erde grössere Gefahren.

Lässt sich dieses Ereignis mit dem vor einem Jahr über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierten Meteoriten vergleichen?

Von der Grössenordnung her war das Ereignis vor einem Jahr deutlich grösser. Beim damaligen Meteoriten haben Berechnungen einen Durchmesser von etwa 19 Metern ergeben. Bei der Explosion in der Atmosphäre wurde rund das Dreissigfache der Energie der Atombombe von Hiroshima freigesetzt. Gerade dies verdeutlicht die Schutzfunktion der Erdatmosphäre. Auf dem Mond wäre diese Energie beim Einschlag auf der Oberfläche freigesetzt worden.

Wäre es möglich, einen solchen Meteoriten, der sich auf Kollisionskurs mit der Erde befindet, zu entdecken?

Bei einem Objekt dieser Grösse ist das unmöglich. Schon bei einem Objekt der Grössenordnung von Tscheljabinsk müsste man zufälligerweise mit einem hochauflösenden Teleskop in die richtige Richtung schauen, um es zu entdecken.