Untersucht werden Neutrinos. Die Teilchen könnten klären, warum der Kosmos existiert

Ein spektakuläres Projekt ging im Dezember letzten Jahres in Betrieb: IceCube, ein Neutrino-Observatorium im Eis nahe der Amundsen-Scott-Station am Südpol. Physiker haben dort insgesamt 86 Kabeltrossen mehr als 5000 lichtempfindliche Geräte im Eis versenkt. Sie schmolzen mit heißem Wasser Kanäle ins Eis und ließen die kugelförmigen Instrumente bis in Tiefen zwischen 1450 und 2450 Metern hinab. Anschließend gefror das Wasser und verschloss die Bohrlöcher wieder. Ziel dieser ungewöhnlichen Anlage ist der Nachweis von Neutrinos, die in der Nähe von Schwarzen Löchern oder bei der Explosion eines Sterns entstehen. Astrophysiker schätzen, dass Neutrinos bei einer Supernova bis zu 99 Prozent der frei werdenden Energie davontragen. Die Teilchen beinhalten einzigartige Informationen, für die sich Astrophysiker interessieren.

Das Problem: Neutrinos sind so klein, dass sie selbst die Erde nahezu ungestört durchdringen können. Nur wenn ein Neutrino im Bereich von IceCube zufällig mit einem Atomkern zusammenstößt, entsteht ein kurzer Lichtblitz, den die elektronischen Augen empfangen. Aus dem Verlauf des Lichtstrahls können die Wissenschaftler schließen, von welchem Himmelskörper das Neutrino gekommen ist. Derzeit analysieren sie ihre Daten, die sie via Satellit vom Südpol erhalten. "Jetzt beginnt für uns die spannende Phase", sagt Christian Spiering vom Deutschen Elektronensynchrotron in Zeuthen.

In den 90er-Jahren entdeckten Physiker eine merkwürdige Eigenschaft von Neutrinos: Sie können ihre Identität wechseln. Neutrinos kommen in drei Arten vor. Wenn sie zum Beispiel bei einer Kernreaktion im Inneren der Sonne als Elektron-Neutrinos entstehen, können einige von ihnen sich auf dem Weg zur Erde zu Myon-Neutrinos verwandeln. Die Physiker wollen herausfinden, mit welcher Häufigkeit und auf welchen Distanzen dies geschieht.

Im Gran-Sasso-Labor in Italien wird das Experiment "Gerda" durchgeführt. Hier wird nach einer extrem seltenen radioaktiven Zerfallsart des Isotops Germanium-76 gesucht. Wenn es die gibt, wären Neutrinos und Antineutrinos in ihren Eigenschaften identisch, und das könnte der Schlüssel zu der Frage sein, warum es im Universum überhaupt Materie gibt.

Theoretisch müsste im Urknall genauso viel Materie wie Antimaterie entstanden sein. Wäre das aber der Fall gewesen, so hätten sich die beiden Teilchensorten gegenseitig vernichtet, es wäre nur Strahlung übrig geblieben. Da dies definitiv nicht der Fall ist, muss sich ein kleiner Materieüberschuss herausgebildet haben, aus dem letztlich alle Sterne und Planeten entstanden sind. Wenn Neutrinos und Antineutrinos identisch sind, dann - so sagen einige Theoretiker - ließe sich dieses Rätsel eventuell lösen. Diese sensiblen Experimente müssen in einem Untergrundlabor stehen, weil dort die darüber befindliche 1400 Meter mächtige Gesteinsschicht der Abruzzen Strahlungsteilchen abschirmt, die aus dem Kosmos auf die Erde prasseln. Ohne diesen Schutz würden diese Partikel in den Messinstrumenten ein Feuerwerk entfachen, in dem die Neutrino-Ereignisse wie Glühwürmchen untergingen. Bei IceCube übernimmt die Eisschicht diese Schutzfunktion.