© ReutersGanz normale Festivalbesucher machen ein Selfie von sich auf dem roten Teppich des Filmfestivals von Cannes. Auch in Frankreich ist das Wort Selfie rasend schnell in die Alltagssprache eingegangen
Angeblich hassen die Franzosen englische Wörter. Aber jetzt haben sie einige Ausdrücke des Internetjargons in ihren "Duden" aufgenommen. Zum Glück auch ein wunderschönes Wort für KreuzworträtselmacherDie Franzosen gelten in Deutschland als ein Volk, das lieber manchmal etwas lächerliche Übersetzungen benutzt, als einen Anglizismus zu gebrauchen. Doch erstens sind nicht alle der meist von der Académie française vorgeschlagenen Übersetzungen grotesk - was könnte schöner sein als
balladeur für ein tragbares Musikabspielgerät? Und zweitens hat die französische Sprache, allen hiesigen Klischees und allen Bemühungen der Sprachhüter zum Trotz, schon seit Jahrzehnten viele englische Wörter übernommen, denen sogar wir Deutschen Eigengewächse vorziehen -
le week-end "das Wochenende" und
le hold-up "bewaffneter Überfall" zeugen davon.
Deswegen überrascht es den Kenner nur mäßig, dass der
Pétit Robert, Frankreichs wichtigstes Nachschlagewerk für alle orthografischen Zweifelsfälle, einige allerneueste Schöpfungen des englischen Internetjargons sogar schneller aufgenommen hat als der deutsche
Duden. Wie die Redaktion unter ihrem Leiter Alan Rey jetzt mitteilte, sind unter den 150 neuen Wörtern, die der am 28. Mai erscheinenden
Pétit Robert enthält, auch "Selfie"
mit der Erklärung "digitales Selbstporträt, im Allgemeinen mit einem Smartphone gemacht und in den sozialen Netzwerken publiziert"
und "Hashtag".
Keine linguistischen EintagsfliegenVor allem das Selfie hat damit eine der schnellsten internationalen Wortkarrieren der neueren Zeit hingelegt. Auch im angelsächsischen Sprachraum hat sich das erstmals 2002 in Australien belegte Wort nicht vor 2012 massenhaft verbreitet. 2013 wurde es dann schon von der Redaktion des
Oxford English Dictionary zum "Wort des Jahres gewählt". Im Sommer des vorigen Jahres ist es auch zum ersten Mal in deutschen Medienberichten aufgetaucht (
Genaueres hier).
Selfie und Hashtag sind, so viel kann man schon jetzt sagen, wohl keine linguistischen Eintagsfliegen, sondern sie werden dem Deutschen länger erhalten bleiben. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch der
Duden sie aufnimmt. Dass die Franzosen schneller waren, hat nichts mit größerer Kapitulationsbereitschaft zu tun. Es ist nur einfach so, dass der
Pétit Robert gar nicht so klein ist: Er enthält 300.000 Stichwörter, also mehr als doppelt soviele wie der Rechtschreibduden mit seinen 140.000. Das erhöht natürlich die Chancen für jedes neue Wort, an den redaktionellen Türstehern vorbei zu kommen. Außerdem erscheint der
Pétit Robert jährlich neu, während der
Duden nur alle vier Jahre aktualisiert wird.
Bloß kein nerdiger deutscher Trottel sein!Wer Eindruck mit seinen detaillierten Französischkenntnissen schinden will, sollte das aber nicht mit banalen Internationalismen versuchen, zu denen neben den schon genannten im neuen
Pétit Robert auch "cyberattaque", "troll", "barista", "pilates" und "cyborg"
gehören. Überraschen kann man französische Muttersprachler eher dadurch, dass man lässig das verb "vapoter" "eine elektronische Zigarette rauchen" in seine Rede einflicht. Noch schöner ist allerdings der "verbicruciste" "der Kreuzworträtselmacher". Leider sind Kreuzworträtsel auch ein Thema, das man bei schönen Französinnen im Urlaubsflirt generell meiden sollte, wenn man nicht als nerdiger deutscher Trottel dastehen will.
Kommentare von Lesern
für unseren Newsletter an