Die Verurteilung von Ante Gotovina ist eine Reifeprüfung für Kroatien

Der gestrige Freitag war ein guter und wichtiger Tag für die internationale Gerichtsbarkeit. Kroatiens Ex-General Ante Gotovina muss für seine Verbrechen an den Krajina-Serben 24 Jahre hinter Gitter. Die Beweislage war erdrückend, der Vorsitzende Richter hätte stundenlang die nachgewiesenen Untaten verlesen können, die kroatische Soldaten und Polizisten auf Befehl ihrer Kommandeure ausführten. Jahrelang wurden dafür Tausende Dokumente studiert, fast 200 Zeugen angehört. In Serbien wird dem UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien von jeher vorgeworfen, parteiisch nur gegen Belgrad zu urteilen. Mit den drastischen Haftstrafen gehört diese giftige Legende der Vergangenheit an. Ob dieser Tag für Kroatien ein guter war, muss sich erst noch zeigen. Regierung und viele Bürger in Gotovinas Heimat traf das Urteil wie ein Schlag, Zagreb bezeichnet es als nicht hinnehmbar. 15 Jahre nach den Verbrechen übt sich der EU-Kandidat in einer schockierenden Realitätsverweigerung. Die katholische Kirche rief zu Gebeten für einen Freispruch auf, Veteranen demonstrierten für ihre Kriegshelden.

Die Operation Sturm wird noch immer als Befreiungskrieg betrachtet. Mord, Folter, Plünderung und Vertreibung sind im kollektiven Gedächtnis ausradiert oder gelten gar als gerechtfertigte Rache an den serbischen Gegnern. Besonders bedenklich ist dabei, dass Kroatien vor allem auf die posthume Verurteilung von Staatschef Franjo Tudjman mit solcher Empörung reagiert. Man empfindet dies als eine Verurteilung des gesamten Landes - Verbrechen begingen nach dieser Lesart immer nur Einzelne. Das Urteil gegen Gotovina ist aber keines gegen ein Kollektiv, sondern gegen eine Staatsführung, die seinerzeit grausames Unrecht beging. Doch es zeigt sich jetzt, dass die Kroaten mit der Bewältigung ihrer Kriegsvergangenheit nie richtig begonnen haben. Die Frage, wer wem mehr angetan hat, stellt sich dabei nicht. Das ist die Reifeprüfung, auch für den angepeilten EU-Beitritt 2013. Diesen Test ist sich Kroatien selbst schuldig, aber auch ganz Europa.