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Hat sonst noch jemand die völlig unerwartete "Waffenruhe" in Gaza bemerkt? Die Experten beider Seiten haben sie durch "Kriegsermüdung" erklärt, doch die genaue Ereignisreihenfolge, die zu der Waffenruhe führte, hat mich doch etwas verblüfft.

Am Montag, den 18. August, wurde die 72-stündige Waffenruhe als Ergebnis der Verhandlungen in Kairo verkündet. Am Tag darauf reiste die israelische Delegation um 16 Uhr ab, genau zu dem Zeitpunkt, als Hamas laut israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) mehrere Raketen in Richtung Beerscheba abfeuerte und dadurch die "Waffenruhe brach".

Israel nutzte die Gelegenheit, um das Haus der Familie al-Dalou zu attackieren, in dem sich angeblich der mutmaßliche Hamas-Militärchef Mohammed Deif aufhielt. Deif, der teilweise gelähmt und auf seinen Rollstuhl angewiesen sein soll (als Ergebnis von fünf früheren Mordanschlägen durch Israel), war anscheinend nicht da, wie die Hamas behauptet (laut Israels Aussagen befand sich Deif im Haus); es wurden also nur seine Frau, seine dreijährige Tochter Sara und sein jüngster Sohn umgebracht, als die IDF fünf tonnenschwere Bomben auf das Haus abwarf. Zwei Tage später, am Donnerstag, hat die IDF bekanntgegeben, drei Hamas Funktionäre bei mehreren Raketenangriffen in Rafah, Süd-Gaza, umgebracht zu haben.

Die Hamas wurde offensichtlich dadurch verunsichert. Am nächsten Tag, Freitag den 22. August, richtete die Hamas 18 Personen hin, die angeblich israelische Kollaborateure waren, und eine "Rakete" landete in einem Kibbuz an der Grenze zu Gaza und tötete den vierjährigen Daniel Tregerman, das erste und einzige getötete Kind auf Israels Seite. Die Kollaborateure wurden Berichten zufolge aus dem Grund hingerichtet, weil sie "die Hamas Führung verfolgten und beobachteten, Ziele für Bombenangriffe in Gaza aussuchten - wie Raketenabschussrampen und Tunnel - die Bewegungen der Hamas-Führer überwachten, Informationen zu Widerstandskämpfern lieferten, die in den Fokus von Israel geraten waren; detaillierte Beschreibungen von Häusern von etlichen Widerstandskämpfern lieferten, die während des Krieges zerstört wurden, Standorte von zivilen und militärischen Angriffszielen durch GPS bestimmten, Telefonnummer der Widerstandskämpfern sammelten und für die Spionagezwecke notwendige Ausrüstung von Israel bekamen."

2013 schrieb Al-Monitor's Adnan Abu Amer:
"Keine offiziellen Statistiken wurden von Palästina bzw. von Israel veröffentlicht, noch wurden exakte Zahlen geliefert. Manchen Schätzungen zufolge könnten sich weniger als 10.000 'Geheimagenten [in Gaza]' aufhalten"
Die Verbindung zwischen dem Bruch der Waffenruhe, der Tötung der Hamas-Führung und der Hinrichtung der Kollaborateure ist eindeutig. Am interessantesten ist aber die Tatsache, dass die Hamas zu dem Zeitpunkt keine Absicht zu haben schien, die Waffenruhe zu brechen; die Hamas hatte keinen Raketenbeschuss angeordnet und war sich dessen nicht bewusst, dass irgendwelche Raketen bereitgemacht wurden um abgefeuert zu werden. Auf der anderen Seite haben die Israelis erwartet, dass die Waffenruhe durch 'Hamas Raketenbeschuss' gebrochen wird, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem Deif, wie sie zuversichtlich hofften, zu Hause und verwundbar sein würde, weil er keinen Angriff während der Waffenruhe erwartete, da er keinen Grund zu der Annahme haben konnte, dass diese Waffenruhe gebrochen würde. Doch jemand hat kurz vor Israels Angriff auf Deifs Haus die Raketen abgefeuert und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass derselbe 'jemand' den genauen Standort des Hauses, in dem Deif sich mutmaßlich (und mit großer Wahrscheinlichkeit) aufhielt, israelischen Streitkräften preisgab.

In einem Artikel von Haaretz am 20. August hat der Chefkorrespondent und Kolumnist Amir Oren ein paar kryptische und dennoch sehr interessante Anmerkungen über Deifdas als Angriffsziel gemacht:
"Es spielt keine Rolle, ob die Hamas die Raketen abgefeuert hatte, die Negev am Dienstagabend getroffen hat, oder wusste, wer das getan hatte [...] wenn die Hamas Version vom Ablauf der Ereignisse stimmt, dann erweckt es den Eindruck, dass Israel hoffte, die seltene Gelegenheit zu haben, Deif treffen zu können [...] [Israel] benötigte dafür nur zwei Vorbedingungen: den Bruch der Waffenruhe durch die Palästinenser, welcher Israel den Vorwand für einen Angriff geben würde [...] und die Involvierung anderer Gruppen, abgesehen von der Hamas, in diese militärische Auseinandersetzung."
Oren fährt fort:
"In der Vergangenheit, vor mehr als 30 Jahren, gab es in Israel militärische und diplomatische Offizielle, die nicht abgeneigt waren, einen Zwischenfall herbeizuführen, um einen Vorwand zu haben, darauf mit einer im Voraus geplanten Operation zu reagieren."
Angesichts seiner Bemerkung zur "Herbeiführung eines Vorfalls" in Hinsicht auf "Bruch der Waffenruhe" durch Hamas scheint Oren nahe zu legen, dass der 'Raketenbeschuss durch Hamas', der letzte Woche zum 'Bruch der Waffenruhe' führte, ein inszenierter Zwischenfall war. Dieser Zwischenfall diente dazu, eine vorausgeplante Operation zur Ermordung von Deif, als er dies am wenigsten erwartet hatte, zu rechtfertigen. Orens Andeutung wurde auf direktere Weise durch den ehemaligen israelischen Justizminister während der Amtszeiten von Rabin und Netanyahu, Michael Ben Yair, wiederholt, als er Folgendes auf seiner Facebook-Seite postete:
Es gibt keine [Vereinbarung] zur Waffenruhe. Es gibt lediglich erneute Hassakte. Wer ist daran schuld? Gute Frage - die Hamas, welche mehr will, oder Israel, das einen Bruch der Waffenruhe vortäuschte, um Mohammed Deif zu ermorden.
Und wieder sehen wir einen direkten Hinweis eines angesehenen Israelis bezüglich der 'Inszenierung einer Provokation' durch Israel. In den letzten sieben Wochen waren die einzigen 'Provokationen', die Israel als Rechtfertigung für das andauernde Bombardement von Gaza angab, die 'Hamas Raketen'. Man wundert sich über diese angeblichen 10.000 israelischen Kollaborateure in Palästina und ob die Aktivitäten einiger von ihnen mehr umfasst als nur das Verpfeifen der Position der Palästinenser an Israel und die Markierung von palästinensischen Häusern mit Hightech 'Funksendern'.

Amir Orens Kommentar, dass "es vor mehr als 30 Jahren in Israel militärische und diplomatische Offizielle gab, die nicht abgeneigt waren einen Vorfall herbeizuführen", ist auch deswegen interessant, weil es die Idee vermittelt was tatsächlich israelische Operationen 'unter falscher Flagge' in einem langfristigen historischen Kontext sind.

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Nicht wirklich High-Tech
'Vor mehr als 30 Jahren' bezieht sich auf die frühen Achtziger und es gab damals mehrere 'Terrorattacken' gegen bzw. durch Israel, auf die sich Oren mit seiner Aussage vermutlich bezieht. Zum Beispiel, die Auto-Explosion nahe des israelischen Armee-Hauptquartiers im November 1982 während des ersten Libanonkriegs im damals besetzten Tyros; seitdem beharrt die israelische Regierung darauf, dass dies eine 'Gasflaschen-Explosion' war. Im Juni 1982 fand ebenso ein Attentatsversuch auf den damaligen israelischen Botschafter in Großbritannien, Shlomo Argov, durch die Mitglieder der Abu Nidal Bande statt, was von Israel als Rechtfertigung für den erwähnten Libanonkrieg 1982 benutzt wurde. Es wird von vielen angenommen, dass Abu Nidal ein israelischer Agent war, ein psychopathischer 'angeworbener Attentäter', dem man zutraute, Angriffe sowohl gegen Israel als auch gegen westliche Ziele und Mitglieder anderer palästinensischer Gruppierungen auszuführen, zur Schwächung und Diskreditierung der palästinensischen Angelegenheit.

Nur um das mal festzuhalten, die wirkliche palästinensische Sache, wie alle anderen echten arabischen (etc.) Freiheitsbewegungen im 20. Jahrhundert, basieren auf dem Widerstand gegen westlichen Imperialismus und die Förderung von progressivem Säkularismus. Dies war die ideologische Basis für alle authentischen und populären arabischen politischen Gruppen in den Fünfzigern und Sechzigern. Doch seitdem haben westliche Imperialisten und Israel regelmäßig versucht, die Entstehung von arabischen Demokratien zu verhindern und haben stattdessen die reaktionärsten und extremistischsten Elemente gefördert. Im Ergebnis ist es ihnen gelungen, die ursprünglichen normalen menschlichen Ideale durch das verfälschte und groteske Image und 'Ideal' des modernen 'Muslim-Terroristen' zu ersetzen, was nichts anderes ist, als die Projektion der inneren Natur der westlichen und israelischen psychopathischen Eliten auf die Araber. ISIS/IS ist der Höhepunkt dieses langfristigen Projektionsprozesses und ist buchstäblich das geistige Kind von Washington und Tel Aviv.

Nun zurück zu unserer Zeitlinie: Am Tag nach der Attacke auf Deif hat Saleh al-Arour, ein in der Türkei wohnender Funktionär von Hamas, die erstaunliche Bemerkung gemacht, dass die Hamas für die Entführung und die Ermordung von drei israelischen Jugendlichen im Juni dieses Jahres verantwortlich war; jenes Ereignis, das sich Israel zunutze machte, um den Angriff auf Gaza zu beginnen und das selbst die Handschrift der Arbeit von israelischen Geheimagenten trägt, wie ich bereits in diesem Artikel darlegte. Seltsamerweise fügte Arouri hinzu, dass die Hamas in Gaza "zu dem Zeitpunkt keinesfalls die Absicht hatte, ein großes Gefecht zu entfachen" und wenn das der Fall ist, dann fragt man sich, wer die Absicht hatte, einen großen Konflikt gegen Hamas in Gaza herbeizuführen? Die Hamas in Gaza hat immer wieder bestritten, etwas über die Ermordung von diesen Jugendlichen gewusst zu haben und Israel hat ihnen offenbar geglaubt. Nichtsdestotrotz reagierte Israel am Tag nach Arouris 'Zugeständnis' mit der Ermordung von drei Hamas-Funktionären in einem Haus in Rafah in Süd-Gaza.

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Das zerstörte Haus der Kallab Familie, in dem drei Hamas Funktionäre durch Israel am 21. August in Rafah ermordet wurden
Am nächsten Tag, Freitag den 22. August, kam ein vierjähriger israelischer Junge, Daniel Tregerman, ums Leben, als eine 'Rakete' in einem Kibbuz an der Grenze zu Gaza explodierte. Nach drei weiteren Tagen mit sporadischem 'Raketenbeschuss' und Israels Raketenangriffen auf Gaza wurde plötzlich am Dienstag, den 26. August, eine permanente Waffenruhe verkündet. Das war sicherlich ein seltsamer Zeitpunkt für Israel um 'nachzugeben', immerhin war ihre Begründung des Bombardements von Gaza 'den Raketenbeschuss von Israels Territorium zu verhindern', und trotzdem haben die Israelis innerhalb weniger Tage nach dem allerersten Todesopfer im Kindesalter durch denselben Raketenbeschuss der Strafaktion ein Ende gesetzt?

Bis zu diesem Zeitpunkt kamen nur drei Menschen durch Raketenbeschuss aus Gaza ums Leben: ein Rabbi, ein Beduine und ein thailändischer Arbeiter, d.h. aus Israels Perspektive gab es vor dem Tod des vierjährigen Kindes nur ein israelisches jüdisches Todesopfer. Ich will darauf hinaus, dass, wenn das Ziel der 'Operation Protective Edge' darin bestand, 'Raketenbeschuss zu stoppen' und die Leben von Israelis zu schützen, dann wurde das Ziel der Operation sicherlich nicht erreicht; vielmehr, wenn man berücksichtigt, dass der Tod eines Kindes allgemein als etwas Entsetzlicheres als der eines Erwachsenen angesehen wird, dann ist die ganze Operation durch den Tod von Daniel Tregerman wieder an ihren Ausgangspunkt zurückversetzt worden. Und dennoch wurde vier Tage später eine Waffenruhe vereinbart.

Den meisten Berichten zufolge ist die Hamas als 'Sieger' durch die Erfüllung von zwei von insgesamt vier ihrer Forderungen hervorgegangen (diese Forderungen beziehen sich auf die Aufhebung der ökonomischen Blockade in Gaza) und über die anderen zwei (Aufhebung der Blockade des Flug- und Meereshafens in Gaza) soll im Laufe des Monats verhandelt werden. Israel andererseits hat Gazas Bevölkerung von 1.8 Millionen um 2000 Menschen reduziert, mehrere Hamas-Funktionäre ermordet und den Status Quo gesichert, d.h. den Stand, der mehr oder weniger der Situation in Gaza vor dem siebenwöchigen Bombardement entspricht. Wie ich bereits erwähnte, bezweckte Israel mit der 'Operation Protective Edge' die Bildung der Fatah/Hamas Einheitsregierung zum Stillstand zu bringen und die kontinuierliche Enteignung von palästinensischem Land zu erleichtern. Heute verkündete Israel die größte Annexion von Gebieten im Westjordanland innerhalb von 30 Jahren. Mit einem Federstrich wurden 400 Hektar palästinensischen Landes Teil von Israel. Die Rechtfertigung? Der Mord von drei Jugendlichen im Juni.

Die verlogene Darstellung der Palästinenser als 'Terroristen', die darauf erpicht sind, 'Israel zu zerstören', wurde durch Israel als Bollwerk gegen die Entstehung einer wahren Bewegung für die Rechte der Palästinenser, welche weltweit anerkannt werden könnten, gefördert. Um die Idee aufrechtzuerhalten, dass palästinensisch = Terrorist ist, muss Israel regelmäßig Anti-Terror-Operationen gegen das palästinensische Volk durchführen. Wenn solche Operationen politisch zweckdienlich sind, produziert Israel eine weitere 'Provokation' zur Rechtfertigung der Operation. In diesem Falle bestand die Provokation in der Entführung und Ermordung von drei israelischen Jugendlichen durch den Staat Israel. Während der militärischen Operation selbst hat sich Israel Provokationen in Form von Raketen, die durch in Gaza operierende israelische Agenten abgefeuert wurden, zunutze gemacht.