Ein Kartenfund in den Archiven des US-Kongressbibliothek sorgt derzeit für Aufsehen: Sollten sich die Pergamentkarten als echt erweisen, wären sie der Beweis dafür, dass der italienische Weltreisende und Entdecker Marco Polo schon im 13. Jahrhundert - und damit 200 Jahre vor Christoph Columbus von der Existenz der Küste Alaskas und jener Meeresenge gewusst hatte, die Asien und Nordamerika trennt und offiziell erst vier Jahrhunderte später von Vitus Bering entdeckt wurde.
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© Library of Congress, Geography & Map DivisionDie als "Karte mit Schiff" bezeichneten kartografische Skizze, die angeblich auf Beschreibungen Marco Polos basiert.
Washington (USA) -Wie das Smithonian Magazine berichtet, handelt es sich bei dem Fund um 14 Pergamente, die zwar schon seit den 1930er Jahren im Besitz der Library of Congress der USA, doch erst in den vergangenen Jahren wieder untersucht wurden.

"Dieser Fund würde bedeuten, dass schon Polo von der Existenz der Küste Nordamerikas Kenntnis oder selbst von Arabern oder Chinesen davon erfahren hatte", kommentiert der Historiker Professor Benjamin B. Olshin von der University of the Arts in Philadelphia die Entdeckung. Olshin ist zugleich der Autor eines im November erscheinenden Buches über eben diesen Kartenfund mit dem Titel "The Mysteries of Marco Polos Maps" (Die Geheimnisse um Marco Polos Landkarten).

Allerdings, so der Autor, sei die Authentizität der 10 Karten und vier Textdokumente noch umstritten: "Noch stehen die Ergebnisse der Analyse der verwendeten Tinte und eine Radiokarbondatierung der wichtigsten Pergamentkarten aus." Eine erste Datierung des Einbands aus Schafshaut datiert diese ins 15. oder 16. Jahrhundert. Der Forscher wertet dieses Ergebnis bestenfalls als Hinweis darauf, dass es sich bei den Karten um spätere Kopien und Abschriften älterer Originale handelt.
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© Library of Congress, Geography & Map Division / Google MapsIm Vergleich: Die angebliche Karte Marco Polos (oben, farbl. Bearb.: grewi.de) mit dem entsprechenden modernen Kartenbild (unten).
Ein weiteres Rätsel sei der Umstand, dass Polo selbst nie von der Existenz dieser Karten oder seines Wissens über Landmassen jenseits von Asien berichtet hatte. "Allerdings hatte er einst erwähnt, dass er nur die Hälfte von dem berichtet habe, was er selbst gesehen habe", kommentiert Olshin.

Die Kartensammlung selbst gelangte 1887 mit dem italienischen Einwanderer Marcian Rossi in die Vereinigten Staaten. Dieser berichtete später einem Historiker, die Dokumente seien Erbstücke eines seiner Vorfahren, einem Admiral, dem die Dokumente einst anvertraut wurden. Rossi selbst war als Geschichtenerzähler und Autor eines frühen Science-Fiction-Romans über eine "Reise zum Mars" bekannt. Allerdings gehen Wissenschaftler bislang nicht davon aus, dass Rossi die Karten gefälscht hatte. Dazu sei das darauf abgebildete Wissen über eine Vielzahl von Themen zu komplex.

Schon als die Dokumente in den 1930er Jahren in den Besitz der Library of Congress gelangten, zeigte sich eine von J. Edgar Hoover selbst unterzeichneten Untersuchung von deren Inhalt überrascht. Aber schon damals war man über die Frage nach der Authentizität der Karten uneins. Ein Grund hierfür, so berichtet das Smithonian Magazine, war schon damals, dass in den Dokumenten Personen und Orte erwähnt werden, die weder aus Polos Erzählungen hervorgehen noch historisch belegt sind. Zudem scheinen die Karten eine Stil-Mix protolanischer Seekarten, ptolomäischer Projektionen und der mittelalterlicher Weltkartendarstellungen mappae mundi.

Auf den Pergament-Karten finden sich auch Beschriftungen: Einige in Italienisch, andere in Latein, Arabisch und Chinesisch. Andere Notizen hingegen scheinen in einer Art Geheimschrift verfasst.

Professor Olshin selbst erforscht schon seit 13 Jahren die angeblichen Karten des Marco Polo und ist der erste, der sämtliche Angaben in den Dokumenten vollständig übersetzt und dekodiert hat. Zudem gelang ihm eine vollständige Rekonstruktion des Stammbaums Rossis tatsächlich bis zurück ins Venedig zu Lebzeiten Marco Polos.

Zu den weiteren erstaunlichsten Entdeckungen Olshins gehört auch der Hinweis auf den chinesischen Begriff "Fusang" mit dem im fünften Jahrhundert ein "Land auf der anderen Seite des Ozeans" beschrieben wurde und von dem Forscher vermuten, dass es sich um den amerikanischen Kontinent handeln könnte.

Hinweise darauf, dass es sich bei den Karten um Kopien von Originalen handelt, geben die darauf genannten Namen der drei Töchter Marco Polos, Fantina, Bellela und Moreta, im Form von Signaturen auf einigen der Pergamente. Diese Töchter, auch das geht aus den Dokumenten hervor - sollen die Karten auf der Grundlage von Briefen ihren Vaters nach dessen Tod nachgezeichnet haben.

Bellela beschriebt unter anderem von bis dahin unbekannten Begegnungen ihres Vaters mit einem syrischen Navigator, mit einer Gruppe von mit Lanzen bewaffneten Frauen in Hermelinpelzen und Menschen auf einer Halbinsel, die "zweimal so weit von China entfernt" gelegen sei und auf der die Menschen Kleidung aus Seehundhaut tragen, von Fisch und selbst in Häusern unter der Erde leben.

Nach Polos Tod, so vermuten auch andere Historiker, könnten seine Töchter anhand der Aufzeichnungen und Briefe ihres Vaters versucht haben, dessen Ruf und Ruhm aufrecht zu erhalten."

Quelle: smithsonianmag.com