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© Peter Endig/ddpSymbolbild
24-stündiger Schlafentzug kann bei gesunden Menschen zu Zuständen führen, die der Schizophrenie ähneln.

Bei einer Psychose kommt es zu einem Verlust des Realitätsbezugs, der mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen verbunden ist. Die chronische Form wird als Schizophrenie bezeichnet, bei der es ebenfalls zu Denkstörungen und Sinnestäuschungen kommt. Betroffene berichten zum Beispiel, dass sie fremde Stimmen hören. Psychosen zählen zu den schweren psychischen Erkrankungen. Ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn hat nun in einem Experiment festgestellt, dass nach einem 24-stündigen Schlafentzug bei gesunden Probanden zahlreiche Symptome festgestellt werden, die sonst typischerweise der Psychose oder der Schizophrenie zugeschrieben werden. "Uns war klar, dass es nach einer durchwachten Nacht zu Beeinträchtigungen des Konzentrationsvermögens kommt", sagt Prof. Ulrich Ettinger vom Institut für Psychologie der Universität Bonn. "Wir waren aber überrascht, wie ausgeprägt und wie breit das Spektrum der schizophrenieähnlichen Symptome war."

Im Schlaflabor des Instituts für Psychologie wurden 24 gesunde Probanden beiderlei Geschlechts im Alter von 18 bis 40 Jahren getestet. In einem ersten Durchgang sollten die Testpersonen ganz normal im Labor durchschlafen. Rund eine Woche später wurden sie die ganze Nacht über mit Filmen, Gesprächen, Spielen und kurzen Spaziergängen wachgehalten. Am nächsten Morgen wurden die Probanden jeweils zu ihren Eindrücken befragt. Außerdem führten die Wissenschaftler eine Messung durch, bei der die Reaktion auf Reizüberflutung getestet wurde.

Ohne Filter Chaos im Gehirn

Das Gehirn verfügt über einen Filter, der hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und einer Reizüberflutung vorbeugt. Bei den Probanden war diese Filterleistung des Gehirns nach einer durchwachten Nacht stark reduziert. "Es kam zu ausgeprägten Aufmerksamkeitsdefiziten, wie sie auch typischerweise bei einer Schizophrenie auftreten", berichtet Prof. Ettinger. "Die unselektierte Informationsflut führte zu einem Chaos im Gehirn." Nach dem Schlafentzug gaben die Probanden zudem in Fragebögen an, etwa sensibler für Licht, Farbe oder Helligkeit zu sein. Zeitgefühl und Geruchssinn waren demnach verändert, die Gedanken sprangen. Manche Übernächtigten hatten sogar den Eindruck, Gedanken lesen zu können oder eine veränderte Körperwahrnehmung zu bemerken. "Wir hatten nicht erwartet, dass die Symptome nach einer durchwachten Nacht so ausgeprägt sein können", sagt der Psychologe der Universität Bonn.

Schlafentzug als Modellsystem für psychische Erkrankungen

Für ihre Ergebnisse sehen die Wissenschaftler ein wichtiges Anwendungspotenzial zur Erforschung von Medikamenten, die gegen Psychosen wirken. „In der Medikamentenentwicklung werden solche psychischen Störungen in Experimenten bislang mit bestimmten Wirkstoffen simuliert. Allerdings vermitteln diese nur sehr eingeschränkt die Symptome von Psychosen“, sagt Prof. Ettinger. Schlafentzug sei ein viel besseres Modellsystem, weil die subjektiven Beschwerden und die objektiv erfasste Filterstörung viel stärker den psychischen Erkrankungen ähnlich seien.