Bei der Suche nach den Mördern von Boris Nemzow müssen sich die russischen Ermittler auf drei Augenzeugen stützen. Unter ihnen die Freundin Nemzows, die sich immer weiter in Widersprüche verstrickt.

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Das ukrainische Model Anna Durizkaja verstrickt sich offenbar nicht nur immer weiter in Widersprüche, sondern verweigerte auch einen Lügendetektortest
Am späten Freitagabend wurde der Oppositionspolitiker Boris Nemzow mit vier Schüssen getötet - keine 200 Meter von den Mauern des Kremls entfernt. Nur wenige Augenblicke nach dem Attentat starb der 55-Jährige auf der Großen Moskauer Brücke. Seine Freundin, die ihn an dem Abend begleitete, blieb unverletzt. Dem Schützen gelang anschließend mit Hilfe eines Komplizen die Flucht.

Nun soll der erfahrene Ermittler Igor Krasnow den Mordfall aufklären. Dabei muss er sich auf die Aussagen von drei Zeugen stützen, die sich zum Tatzeitpunkt in unmittelbarer Nähe aufgehalten haben: Anna Durizkaja, die Lebenspartnerin Nemzows, ein Passant und der Fahrer eines Kehrfahrzeugs.

Während einer der Augenzeugen, der zum Zeitpunkt der tödlichen Schüsse 80 Meter von den Geschehnissen entfernt war, offenbar eine knappe Beschreibung des Täters liefern konnte, will Durizkaja ihn nicht einmal gesehen haben.

Das sind die Aussagen der drei Kronzeugen:

Fahrer des Kehrfahrzeugs Sergej B.

Sergej B. befand sich am Steuer einer Straßenreinigungsmaschine als die tödlichen Schüsse auf Nemzow fielen. Auf den bislang einzigen verfügbaren Videoaufnahmen der Tat verdeckt sein Fahrzeug die Sicht auf die Geschehnisse, als der Schütze auf sein Opfer feuerte.

Wie er gegenüber russischen Medien berichtete, hat Sergej B. den Augenblick des Mordes jedoch nicht beobachten können. Seiner Darstellung zur Folge konzentrierte er sich auf die Reinigung der Bordsteine. Als er aufblickte, habe er im Rückspiegel einen Mann auf dem Bürgersteig liegen sehen. Er habe sein Fahrzeug abgestellt, sei ausgestiegen und eine junge Frau habe ihn angesprochen. "Ich habe sie gefragt, was mit dem Mann ist. Sie hat geantwortet, dass auf ihn geschossen worden ist. Dann fragte sie, was sie tun soll, wen sie anrufen soll", erzählte der Zeuge der russischen Nachrichtenseite Lifenews. Die Frau wurde später als Anna Durizkaja identifiziert, ein ukrainisches Model und Lebensgefährtin von Nemzow. Nachdem er den Krankenwagen gerufen habe, sei Sergei B. eigenen Angaben zufolge weiter gefahren, um seine Arbeit zu verrichten.


Zufälliger Passant Viktor M.

Der zweite Zeuge Viktor M. konnte den russischen Ermittlern anscheinend mehr Informationen zum Täter liefern. Als das Attentat verübt worden ist, befand er sich ungefähr 80 Meter hinter Nemzow und seiner Begleiterin auf der Brücke. Wie er gegenüber Lifenews berichtete, war er mehr mit seinem Smartphone beschäftigt als auf seine Umgebung zu achten, als er plötzlich bemerkte, dass der Passant vor ihm auf den Boden fiel. Im selben Augenblick habe er beobachten können, wie ein zweiter Mann in Richtung der Fahrbahn flüchtete. Dieser sei über die Absperrung gesprungen, direkt auf die Brücke gelaufen und in ein Fahrzeug gesprungen, das auf ihn auf der zweiten Spur gewartet habe, so Viktor M. Die Marke des Fluchtfahrzeugs habe er nicht erkannt, allerdings soll es sich seiner Darstellung nach um eine russische Automarke handeln.

Anschließend will der Zeuge zu dem am Boden liegenden Opfer gelaufen sein. Doch er hätte ihm nicht mehr helfen können. Nach ein paar Augenblicken sei der Mann direkt in seinen Armen gestorben, berichtete Viktor M. weiter. Erst später habe er erfahren, dass es der Politiker Boris Nemzow war.

Anhand der Beobachtungen von Viktor M. hat die russische Polizei folgende Beschreibung des Schützen veröffentlicht: 170 bis 175 cm groß, durchschnittlicher Körperbau, dunkle, kurze Haare. Außerdem soll er eine blaue Jeans und einen braunen Pullover getragen haben.

Begleiterin und Freundin Nemzows

Die wichtigste Zeugin des Attentates ist jedoch die 23-jährige Anna Durizkaja. Sie begleitete ihren Freund Nemzow an dem Abend, nachdem die beiden im nahegelegenen Luxuskaufhaus GUM zu Abend gegessen hatten. Gegenüber der Polizei gab sie an, dass sie sich weder an den Täter, noch an das Fluchtauto erinnern kann, da sie unter Schock stehe und unter partieller Amnesie leiden würde. Außerdem habe sie den Täter gar nicht gesehen, weil er von hinten geschossen habe, erzählte sie. Der russischen Nachrichtenagentur Interfax sagte das ukrainische Model: "Ich weiß nicht aus welcher Richtung, der Mörder kam. Ich habe nichts gesehen, weil alles hinter meinem Rücken passiert ist." Laut den neuesten Erkentnissen der russischen Ermittler soll der Täter jedoch zunächst dem Paar entgegengekommen sein, die beiden passiert haben, sich dann zurückfallen lassen und dann von hinten auf Nemzow geschossen haben.

Doch die Rolle von Durizkaja gibt den Ermittlern weiter Rätsel auf. Die wichtigste Frage ist, warum der Schütze nicht auch sie ausgeschaltet hat. Außerdem soll sich Durizkaja bei ihren Aussagen in Widersprüche verstickt haben, berichtet die russische Zeitung "Kommersant", die zu den renommiertesten und ausgewogensten Blättern des Landes zählt. So soll sie im Gespräch mit ihrer Mutter behauptet haben, dass Nemzow selbst an dem Abend vorgeschlagen hat, zu Fuß nach Hause zu gehen. Doch Zeugen, die das Paar im Restaurant "Bosco" im Kaufhaus GUM beobachtet haben, sollen ausgesagt haben, dass es Durizkaja war, die darauf bestanden hat, auf ein Taxi oder den Chauffeur des 55-jährigen Politikers zu verzichten und einen Spaziergang zu machen.

Zudem soll sie sich auch geweigert haben, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen und wollte offenbar auch nicht in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Am Montag erst beschwerte sich Durizkaja in den russischen Medien, dass sie in ihre Heimat Ukraine nicht zurückkehren könne und gegen ihren Willen in Russland festgehalten werde. Am späten Montagabend landete sie jedoch schon in Kiew. Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums teilte zuvor via Twitter mit, Durizkaja habe Moskau verlassen und sei auf dem Weg nach Kiew.

Durizkaja blieb nicht zur Beerdigung

Für die russischen Ermittler ist Durizkaja scheinbar nicht nur eine Zeugin, sondern auch eine Verdächtige. Die russische Polizei soll Hinweisen nachgehen, wonach es sich bei dem Mord womöglich um eine Tat aus Eifersucht handeln könnte.

Nemzow wird am Dienstag in Moskau beigesetzt. Sein Leichnam ist zunächst im Moskauer Andrej-Sacharow-Zentrum für Menschenrechte aufgebahrt worden. Mit roten Rosen in den Händen zogen am Dienstagvormittag Freunde und Weggefährten am offenen Sarg des Oppositionellen vorbei. Vor dem Gebäude bildete sich eine lange Schlange von Trauernden. Am Nachmittag soll Nemzow auf einem Moskauer Friedhof beigesetzt werden. Durizkaja entschied sich, der Beisetzung nicht beizuwohnen.