Es war exakt 19:32:38 Uhr MEZ, als am 7. April 1990 ein Meteorit das Dach des Wohnhauses der Familie Wichmann in Glanerbrug zwischen Gronau und Enschede durchschlug.
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Gronau/Glanerbrug - Schätzungsweise 4 bis 5 Milliarden Jahre hatte seine Reise durch das Weltall gedauert, bevor er an der Gronausestraat spektakulär niederging. Für die Hausbewohner verlief der Einschlag glimpflich, waren sie doch nicht zu Hause.

Ein solcher Fall, dass ein Meteorit in ein Haus einschlägt, war bis dato nur aus den USA gemeldet worden. Entsprechend elektrisiert reagierten Fachwelt und Öffentlichkeit auf dieses Ereignis. Anfänglich hatte in Glanerbrug und Umgebung niemand etwas von der Bruchlandung mitbekommen, doch stellten Fachleute aus den Niederlanden binnen kürzester Zeit fest, der „Meteorit von Glanerbrug“ ist eindeutig echt.

Schon rasch bekam das Objekt aus dem Weltraum seinen offiziellen Namen nach dem nächstgelegenen Postamt Glanerbrug. Als „The Glanerbrug Meteorite Fall“ sollte der Niedergang in der Folgezeit zu einem der am besten dokumentierten Meteoriteneinschläge der Welt werden. Dabei hatte sich der Steinmeteorit beim Aufschlag in Hunderte kleine Fragmente zerlegt. Bei einer Aufschlagmasse von rund 800 Gramm wog das größte Bruchstück gerade mal 135 Gramm. Wissenschaftliche Untersuchungen klassifizierten das Material als „gewöhnlichen“ (dennoch seltenen) L/LL5-Chondriet mit Brekzie.

Niemand sah Feuerball

Als „Glanerbrug“ vor 25 Jahren niederging, hatte anfänglich niemand die „Sternschnuppe“ beobachtet oder den Knall gehört. Die Arbeitsgruppe Meteoriten (einer Abteilung der niederländischen Vereinigung für Wetter- und Sternkunde) im niederländischen Leiden ging davon aus, dass es einen Feuerball mindestens „so hell wie der Vollmond“ gegeben haben muss. Doch war an jenem Abend die Sonne soeben untergegangen, so dass der Himmel noch sehr hell war. Und die „All-Sky-Kamera“, die mit einem Fischaugen-Objektiv den ganzen Himmel beobachten konnte und gerade für die Erfassung solcher Meteoriten-Feuerbälle eingerichtet war, war durch das starke Mondlicht an jenem Abend außer Gefecht gesetzt.

Während das Medieninteresse für den Besucher aus dem All in der Folgezeit abnahm, machten sich weltweit Wissenschaftler aller Fachrichtungen an die Erforschung von „Glanerbrug“. Schließlich fand man doch mehrere Dutzend Leute in den Niederlanden, aber auch in Nachbarländern, die diesen „Meteoritenfall“ beobachtet hatten. Aus den Beobachtungen konnte man die Flugbahn und weitere Details berechnen. Demnach soll „Glanerbrug“ aus nordwestlicher Richtung in einem relativ großen Winkel mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 Kilometern pro Sekunde eingeschlagen sein.

Damit wird auch erklärt, warum der etwa 40 Kilometer lange Feuerschweif durchschnittlich nur ganze 1,2 Sekunden beobachtet werden konnte. Nach Berechnungen soll seine Anfangsmasse zwischen 20 und 200 Kilogramm gelegen haben, von denen deutlich weniger als ein Zehntel den Boden erreicht haben dürfte. Die anfängliche Suche nach weiteren Bruchstücken in der Umgebung des Hauses Wichmann blieben damals ohne Erfolg. Details wurden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht.

Und heute? „Glanerbrug“ hat nach seiner kosmischen Reise in der Kollektion von „Naturalis“, einer Abteilung des Nationaal Natuurhistorisch Museum in Leiden seine Heimat gefunden. Eigentlich hätte er auch im Besitz der geschädigten Familie in Glanerbrug bleiben können. Die jedoch zeigte damals mehr Interesse an der Schadensregulierung als an dem interstellaren Geschoss.

In Leiden liegt er fein säuberlich verpackt und beschriftet und wartet auf weitere Anfragen aus der Welt der Wissenschaft, die ihm noch zahlreiche Geheimnisse entlocken will. Leider ist er zurzeit nicht ausgestellt.