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© APDavid Cameron mit Angela MerkelHerzliche Gesten: David Cameron und Angela Merkel wollen das Großbritannien in der EU bleibt. Doch unter welchen Bedingungen?
In der Berichterstattung über den Besuch von Premierminister David Cameron bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, bei dem Cameron für eine Reform der Europäischen Union geworben hat, wird allgemein das gute Einvernehmen mit der Bundeskanzlerin hervorgehoben. Angela Merkel erklärte: "Änderungen im Vertragsrecht sind keine Unmöglichkeit, wenn auch sehr schwierig." Zu dem Vorstoß der Britischen Regierung den Zugang zum Sozialsystem für EU-Einwanderer zu begrenzen, sagte die Kanzlerin: "Die erste Bedingung ist das Recht auf Freizügigkeit in der EU. Die zweite lautet: Die EU ist keine Sozialunion." Dazwischen könne man sich einigen. Das Wohlwollen, mit dem Camerons Vorstoß bei Angela Merkel aufgenommen wurde, hat viele überrascht, lässt sich aber aus der Gesamtlage gut erklären.


Die Sorge vor einer EU als failed State

Die Welt betont, dass nicht nur Cameron wegen des angekündigten Referendums, sondern auch Merkel wegen der Furcht vor dem möglichen Grexit unter Druck steht: „Die Gefahr eines griechischen Euro-Austritts bedroht Merkels Rettungspolitik und damit fundamental ihr Stabilitätsversprechen. Der Wahlsieger aus London kann es sich hingegen leisten, Forderungen zu stellen. Grexit und Brexit zusammen wären das Ende der EU, wie wir sie kennen.“ Merkel kann sich gerade in dieser instabilen Lage ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU schlichtweg nicht leisten. Würde in einer Zeit, in der der Euro erneut zu Erschütterungen führt und auf absehbare Zeit kein Ende der Eurokrise in Sicht ist, eine der großen Wirtschaftsmächte aus der EU austreten, würde sich daraus der Eindruck eines gescheiterten Rumpfeuropas ergeben. Die Restunion würde in der Welt leicht das Bild eines „Failed State“ abgeben, noch bevor ein richtiger Staat überhaupt offiziell gegründet wurde.

Umrisse einer deutsch-britischen Einigung

Aus dem von Cameron und Merkel Gesagten lässt sich bereits eine Linie ablesen, der entlang sich wenigstens Deutschland und Großbritannien grundsätzlich einigen könnten: Eine vorsichtige Änderung der Verträge, die den Widerstand in anderen EU-Staaten in Grenzen hält. Dazu könnte eine klarere Kompetenzabgrenzung gehören und die Akzeptanz des Umstandes, dass das Prinzip der immer engeren Gemeinschaft nur für die Staaten gilt, die das ausdrücklich wollen. Das wäre, wie selbst der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz einräumt, einfach eine rechtliche Anerkennung eines ohnehin bestehenden und unvermeidlichen Zustandes eines Europas verschiedener Geschwindigkeiten. Das Prinzip Freizügigkeit bei gleichzeitiger Anerkennung, dass die EU keine Sozialunion ist, läuft auf den Ansatz hinaus, die Einwanderung innerhalb der EU nicht einzuschränken, aber dem Zugang zu den nationalen Sozialleistungen Grenzen zu setzen.

Keine Sonderregelung für Großbritannien, sondern Optionen für alle

Für Deutschland ist wichtig, dass das Europa verschiedener Geschwindigkeiten nicht bedeutet, dass Deutschland sich uneingeschränkt für die „immer engere“ Union entscheidet, während andere Staaten sich die Option offen halten, sich daran nicht zu beteiligen. Deutschland sollte sich wie jedes andere Land die Option offen halten, sich an den Integrationsschritten zu beteiligen, die im Interesse des Landes sind und von den Bürgern mitgetragen werden. Die europäische Integration sollte keine Einbahnstraße sein, denn eine solche kann leicht in eine Sackgasse führen, sondern ein Verbindungsnetz verschiedener paralleler Straßen, zwischen denen Staaten wählen und wechseln können. Statt eines Europas zweier Geschwindigkeiten wäre das ein Europa verschiedener Optionen, zwischen denen sich die Bürger durch die Abgabe ihrer Wählerstimme demokratisch entscheiden können.