Die ägyptische Justiz macht den Ex-Staatschef und seine Söhne für den Tod von 850 Menschen verantwortlich.

Kairo - Die ägyptische Revolution macht Ernst: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den gestürzten Staatschef Hosni Mubarak erhoben. Die Justizbehörden machen Mubarak und seine Söhne Gamal und Alaa für den Tod von etwa 850 Demonstranten verantwortlich, die während der 18-tägigen Revolution von den Sicherheitskräften getötet worden sind. Sollte ein Gericht den Ex-Präsidenten und seine Söhne für schuldig befinden, könnten sie zum Tod verurteilt werden.

Die Anklage gegen Mubarak war seit längerem absehbar. Sie wurde aber, offenbar auf Betreiben des herrschenden Militärrats, hinausgezögert. Die Frage, wer für die Todesschüsse auf die Regimegegner verantwortlich ist, beschäftigt die Öffentlichkeit, seit die Generäle sich offen auf die Seite der Regimegegner gestellt und Mubarak am 11. Februar gestürzt hatten. Mubaraks Innenminister Habib El-Adly muss sich wegen der Todesschüsse bereits vor Gericht verantworten. Auch ihm droht das Todesurteil. Zudem war vor wenigen Tagen ein Polizeioffizier zum Tode verurteilt worden, weil er 20 Demonstranten erschossen haben soll. Am vergangenen Freitag war bei einer Großdemonstration erneut gefordert worden, dass auch der Ex-Staatschef vor Gericht komme.

Einen Prozesstermin gibt es bisher noch nicht. Der 83-jährige Mubarak befindet sich unter Arrest, er sollte aber schon seit längerer Zeit in Untersuchungshaft genommen werden. Er konnte bisher nicht in ein Kairoer Gefängnis verlegt werden, weil er wegen Herzproblemen in einem Krankenhaus im Ferienort Scharm el-Scheich am Roten Meer behandelt wird.

Seine Söhne Gamal und Alaa hingegen sitzen schon seit mehreren Wochen mit anderen Regime-Größen im Kairoer Tora-Gefängnis in Untersuchungshaft. Auch Mubaraks Frau Suzanne sollte ursprünglich in Untersuchungshaft kommen, wegen Korruption. Sie konnte sich dem Gefängnis aber im letzten Moment entziehen, weil sie Privatkonten mit mehreren Millionen Dollar und eine Kairoer Villa an den Staat zurückgab.

Der Umgang mit der Person des früheren Staatschefs, der Ägypten gut drei Jahrzehnte mit quasi-diktatorischen Mitteln regiert hatte, spaltet die Gesellschaft tief. Viele halten es für notwendig, dass der Autokrat persönlich Verantwortung für die blutigen Ereignisse der Revolution, für Menschenrechtsverletzungen und Korruption übernimmt. Andere erwidern, dass er große Verdienste um Ägypten habe: Vor seiner Amtsübernahme 1981 war er Luftwaffenchef; er hatte 1973 maßgeblich zu den ägyptischen Erfolgen im Oktoberkrieg gegen Israel beigetragen.

Ein hartes Urteil gegen Mubarak könnte die durch die Revolution ohnehin belastete ägyptische Gesellschaft noch tiefer spalten. Anders verhält es sich im Fall seiner beiden Söhne. Gamal und Alaa Mubarak sind der Mehrheit der Ägypter verhasst. Dies gilt besonders für den jüngeren der Brüder: Gamal Mubarak, der

als Wunschnachfolger seines Vaters für den Präsidentenposten galt. Die kaum verhohlenen Versuche, den Sohn auf quasi dynastische Weise ins Amt zu hieven, hatten stark zu der Stimmung beigetragen, die im Januar zum Aufstand gegen Mubarak führte.