Einleitende Worte zur Geschichte der Naturkatastrophe

Zur Grundlage für diesen Artikel über die Naturkatastrophen in der Geschichte diente das Buch Chronik der Seuchen in Verbindung mit den gleichzeitigen Vorgängen in der physischen Welt und der Geschichte der Menschen von Dr. Friedrich Schnurrer.

Es ist schwierig, manche Schilderungen über Katastrophen und Naturereignisse früherer Zeitgenossen zu beweisen oder zu widerlegen. Dennoch bietet diese Auflistung eine erstaunliche Datenmenge über bisherige Naturphänomene in der Geschichte. Auch wenn viele der Daten geschichtlich belegt sind, wir erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit aller Angaben.

Selbst die Katastrophen, die wir nicht mehr nachvollziehen können und die äußerst unglaubwürdig erscheinen, haben oft einen wahren Kern und können uns trotzdem als interessante Quelle dienen, und zwar um in die Vorstellungswelt der damaligen Zeit einzutauchen: Welchen Eindruck manche Naturereignisse bei den Menschen hinterließen und wie sie deren Folgen wahrnahmen.

erdbeben basel
© unbekanntEin Erdbeben zerstört Basel. Diese Katastrophe ereignete sich im Jahre 1356. Gemälde von Karl Jauslin.
Dass hier nicht nur Naturkatastrophen aufgezählt werden, sondern auch noch Seuchen und andere Ereignisse, ist kein Zufall. Denn man wusste lange Zeit, auch bis ins 19. Jahrhundert hinein, noch nicht, was so schlimme Seuchen wie den Schwarzen Tod ausgelöst hatte. Der Virus war noch nicht entdeckt. So setzten mögliche Erklärungsversuche für Seuchen bei vorangegangenen Sternenkonstellationen, religiösen Geschehnissen und eben Naturereignissen an. Das Buch, das wir diesem Artikel zugrunde gelegt haben, ist eine minutiös und genau aufgezeichnete Arbeit über die Naturereignisse, Katastrophen und Seuchen in der Geschichte. Wir beschränken uns dabei auf die Zeit des Mittelalters.

400: Komet - Während der Regierung Kaiser Honorius erschien ein wunderbar gestalteter Komet, sein riesiger Schweif schien die Erde zu berühren und beeindruckte die Menschen so sehr, dass einige das Christentum als ihre Religion annahmen. (Baron.)

401: Strenger Winter - Im Jahr 401 folgte ein ungeheuer strenger Winter. Das schwarze Meer soll fast vollständig zugefroren sein. Im Frühjahr darauf seien 30 Tage lang ganze Eisberge durch die Propontis getrieben worden[1].

Um 406: Katastrophenzeit - Krieg, Seuchen, Trockenheit, Überflutungen, Hagel, Erdbeben, Frost, Sonnenfinsternis. Zu jener Zeit erhoben sich mehrere nördliche Völker und strebten südwärts. In den römisch besetzten Provinzen herrschte Krieg oder Hunger und Seuchen. Aber nicht nur die Völker, auch der Himmel und Erde schienen bewegt zu sein. Ungeheure Erdbeben zerstörten ganze Städte. Mancherorts wurde die Erde gespalten und Risse erschienen. An manchen Orten herrschte glühende Trockenheit, an anderen drohten Wasserfluten. Nie zuvor hatte man so riesige Hagelkörner fallen sehen, es sollen Eismassen von ungeheurer Größe, die wohl 4 Kilo wogen. Andere Gegenden litten durch erdrückende Schneemassen und grimmigen Frost. Zur gleichen Zeit verdunkelte sich auch die Sonne so sehr, dass man die Sterne sehen konnte[2]. Seuchen und Hungersnöte erschienen ebenfalls zu dieser Zeit. (Idatius.)

418: Komet und schneereicher Winter - Im August und September des Jahres 418 erschien ein Komet am Himmel. Um dieselbe Zeit fiel auch ein besonders starker Hagel und der Winter darauf zeichnete sich durch eine besonders große Menge an Schnee aus[4].

419: Erdbeben und Überflutung - Mehrere Städte Asiens litten durch Erdbeben. In England wurde die Küste von Hampshire vom Meer überschwemmt.

420: Vulkanausbruch - Der Vulkan Ätna brach aus, die Ernte fiel schlecht aus und Seuchen griffen um sich[5].

432: strenger Winter - Ein besonders kalter Winter war für große Teile der Bevölkerung äußerst nachteilig. (Prosp. Aquit. Chronic.)

Ab 441: außergewöhnliche Naturereignisse - Das Jahr 441 ist der Beginn einer Aufeinanderfolge von außergewöhnlichen Naturereignissen, die sich in entlegenen Gebieten der Erde zutrugen und auf die auffällig schlechte gesundheitliche Zustände der Menschen folgten. In diesem Jahr gab es Überschwemmungen an den Küsten von West- und Nordwales.

442: Komet und harter Winter - Durch die großen Schneemengen dieses harten Winters litt besonders Illyrien, die Region im Westen der Balkanhalbinsel. Zur gleichen Zeit hatte Attila mit seinen Hunnen schon zwischen dem schwarzen und dem adriatischen Meer alles verheert.

443: Lebensmittelknappheit und Pestilenz - Im Jahr 443 litt Spanien unter einem Mangel an Lebensmitteln und unter eine Pestilenz (Seuche, nicht: Pest).

444: Komet - Wieder erschien ein Komet, drei Jahre nach dem letzten. Idatius erwähnte, dass einer von beiden ab Dezember über mehrere Monate lang am Himmel hing.

446: Hungersnot - In England führten einerseits der Ernteausfall und andererseits die Verheerungen durch die Pikten zu einer Lebensmittelknappheit und Hungersnot. Es folgten jedoch keine Krankheiten und die Zeit darauf war von solchem Überfluss geprägt, dass man sich kaum an eine bessere Zeit erinnern konnte. Als sich die Bevölkerung, vor allem die Geistlichen, dem Wohlstand hingegeben hatten, griff eine verheerende Pestilenz um sich, an der unzählige Menschen starben, so dass man kaum mit den Beerdigungen der Verstorbenen hinterher kam. Außerdem trug diese Erfahrung dazu bei, dass König Vortigern den Beistand der sächsischen Anführer Hengist und Horea erbat[6].

447: Erdbeben - Starke Erschütterungen durch Erdbeben erlitt in diesem Jahr Rom. Die Erschütterungen waren so stark, dass mehrere Tempel und Wohnungen einstürzten[7]. Kurz darauf erbebte die Erde auch in Osteuropa und Kleinasien. Generell war zu dieser Zeit die Erde sehr in Bewegung. Konstantinopel wurde über sechs Monate hinweg fast ununterbrochen erschüttert, dabei stürzten 57 Türme ein. (Baron.) Darauf schrieb Aelia Pulcheria, die Tochter Kaiser Arcadius', den Provinzen ein Canticum (Gebetssang) als Mittel gegen Erdbeben vor.

Die Lange Mauer von Chersones fiel auf einmal fast in sich zusammen. In gleicher hatten die Gegenden des Hellesponts, Bithynien, Phrygien, Alexandrien und Antiochien zu kämpfen. Der Boden öffnete sich mancherorts und verschlang ganze Dörfer. Manche Quellen versiegten und an anderen Stellen, an denen es zuvor keine Quellen gab, schoss das Wasser empor. Berge bebten und selbst Bäume mit riesigen Wurzeln wurden aus der Erde gerissen. Das Meer trat über die Ufer und überschwemmte die Küsten, ließ dort riesige Fische zurück während Inseln und Schiffe einfach verschlungen wurden. Diese Erscheinungen verschwanden nur allmählich[8].

erdbeben berggegend
© unbekanntDie Zerstörung, die ein Erdbeben späterer Tage in einer Berggegend hinterlassen hat. Die zuvor befahrbare Straße ist nicht mehr zu erkennen. Auch das Haus wird keine Menschen mehr beherbergen können. Wir haben zumindest Erklärungen für Naturkatastrophen, die Menschen im Mittelalter waren ratlos, was die Ursache sei und ihre Fantasie ging oft mit ihnen durch. Fotografie gefunden auf wikimedia commons.
451: Erdbeben, Komet und Nordlicht in Europa - Zu dieser Zeit litten Deutschland, Italien und Frankreich unter den Zügen der Hunnen, weshalb auch Naturereignisse keine Erwähnung in Schriften finden. Jedoch vor dem Einfall der Hunnen in Gallien kam es dort zu einem Erdbeben und am 4. April 451 sah man ein sehr imposantes Nordlicht. Im Juli und August desselben Jahres war ein Komet am Himmel zu sehen. (Idatius.)

452: Meteoriten, Erdbeben und Nordlichter - In Thrakien fielen 3 große Meteoriten auf die Erde. (Marcell. Comit. Chron. Cedren. - Chladni.) Im selben Jahr gab es wieder in Italien Erdbeben und Nordlichter, in denen man feurige Spieße sah. (Baron.) Andere Autoren (Matth. Palm. Flor. Chron.) datieren diese Erscheinungen ins Jahr darauf.

455: Komet, Trockenheit und Masern(?) - Zuerst erschien ein Komet am Himmel und darauf setze eine große Trockenheit ein. Außerdem werden besondere Erscheinungen, ähnlich Nordlichtern, beschrieben. Eusebius reiht hier unmittelbar an die Zeit der durch die Trockenheit verursachten Nahrungsmittelknappheit eine schlechte Ernährung und daraufhin eine verheerende Seuche an, die mit Masern vergleichbar war: der Körper schwoll durch eine Entzündung der Haut an, die Erkrankten gleichzeitig an einer Augenentzündung und starben unter heftigem Husten am dritten Tag der Krankheit. Diese Krankheit schien in Phrygien, Galatien, Cappadocien und Cilicien vorgekommen zu sein, aber auch bis in die Gegend von Wien soll sich eine Seuche verbreitet haben[9].

458: Erdbeben in Antiochien - Im zweiten Regierungsjahr Leos I. erschütterte wieder ein Erdbeben die Gegend um Antiochien (Südtürkei). Es wurden zwar mehrere Ortschaften eingestürzt, aber die meisten Menschen sind mit dem Schrecken davongekommen. Dies waren jedoch nur Vorboten für eine schlimmere Periode.

467: Erdbeben, Vulkanausbruch und Seuche - Nicephorus machte ungenaue Angaben über die Zeit, jedoch geht Baronius davon aus, dass sich im Jahr 467 das Erdbeben ereignete, das Nicephorus beschrieb. Dieses Erdbeben richtete im neueren Teil der Stadt Antiochien große Verwüstungen an, während der alte Stadtkern verschont blieb. Ebenso wurde die Gegenden um Thrakien, den Hellespont und weitere erschüttert.

Um Konstantinopel und Bithynien (nordwestliche Türkei) kam es zu heftigen Regenfällen, die Berge aufweichten, bis sie einstürzten und ganze Ortschaften wegschwemmten. Außerdem hing über Konstantinopel 40 Tage lang eine Tubaförmige Wolke, während dort Ascheregen niederfiel. Diesen Ascheregen führt Procopius auf einen Vulkanausbruch im Balkan-Gebirge zurück[10].

Abgesehen davon herrschte in diesem Jahr um den 15. Februar, an dem man die Lupercalien feierte, eine verheerende Seuche: Pestilentia tanta subrepsit, ut toleranda vix fuerig. (Gelasius bei Baronius.)

470: Seuche und Erdbeben - In Vienne in Frankreich kam es zu einer Seuche und einem Erdbeben. Außerdem konnte man hier schon etwas beobachten, was sich später häufte: Wilde Tiere aus dem Wald, wie Wölfe und Wildschweine rannten wie tollwütig durch die Städte[11].

473: Vulkanausbruch und kalter Winter - In Italien brach der Vulkan Vesuv aus und sehr kalte Winter folgten die nächsten Jahre über Europa. (Baron. und Bagliv.)

476: Erdbeben - Zu jener Zeit hausten Ruger, Heruler und andere Völker an der Oder oder zogen unter der Führung des Odoaker nach Italien, um dem weströmischen Reich ein Ende zu bereiten. In diesen bewegten Zeiten wurden auch die geschichtlichen Aufzeichnungen beschränkt und das Jahr, in dem ein beachtliches Erdbeben in Konstantinopel wütete, stimmt unter verschiedenen Quellen nicht überein. Baron datiert es auf den 24. September 477. Bei diesem Erdbeben jedenfalls drang ein unangenehmer Geruch aus der Erde hervor.

Außerdem war Anjou von einer Seuche heimgesucht worden, als Odoaker dort eintraf[12].

480: Seuche und Hungersnot - Schottland wurde von einer Seuche heimgesucht (Webster) während Burgund sehr unter einer Hungersnot zu leiden hatte[13].

484: Trockenheit und Krankheiten - Südeuropa hatte unter einer schlimmen Trockenheit zu leiden, bei der kaum Vegetation erblühte und sogar Weinreben und Olivenbäume verdorrten. In Afrika herrschten an der Nordküste die schlimmsten Krankheiten, die vor allem die Vandalen dahinrafften, die kälteres Klima gewohnt waren. (Baron.)

489: Komet - 487 erschienen neue Völker, nämlich die Bulgaren, im byzantinischen Reich. Zwei Jahre darauf sah man in Byzanz einen Kometen. Ein Jahr darauf kamen die Ostgoten unter Theodorich nach Italien.

499: Komet, Erdbeben und Vulkanausbruch - In der Nordwestlichen Türkei bebte die Erde, in Italien brach der Vesuv abermals aus und ein Komet war am Himmel zu sehen.

Fußnoten

[1] Scal. Ex Marcell. Com.

[2] Eine ähnliche Verfinsterung der Sonne über drei Tage lang soll es im Jahre 1547 gegeben haben. Damals hätte man die meisten Sterne gegen Mittag sehen können. Johannes Keppler schrieb diese Sonnenfinsternis einer kometischen Materie zu, die sich in großer Höhe befinden sollte.

[3] Webster T. I. p. 133

[4] Webster T. I. p. 133

[5] Mendez des Silva, catálogo real y genealógico, p. 79. (Villalba.)

[6] Baedae Histor. eccles. Geotis Anglorum. Cantabrigiae 1722. I, 13-14. Baedae Chronicon: Fameon praefatam magna frugum abundantia, opulentiam luxuria et negligentia, negligentiam acerrima lues secuta est.

[7] Histor. miscell. Lib. XIV.

[8] Nicephor. Callist. hist. eccles. XIV, 65.

[9] Evagr. Hist. eccles. III, 12.

[10] Nicephor. Callist. hist. eccl. XV, 20.

[11] Sigbert. Gembl. Chron. Königshofer Chron. S. 307. Diese differierten aber um zwei Jahre. Gregor. Turon. II, 34.

[12] Gregor. Turon. II, 18.

[13] Idem. II, 24.