Brüssel/Berlin - Deutschland kann durch eine starke Zuwanderung in den kommenden Jahren auf ein höheres Wirtschaftswachstum hoffen.
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Trotz kurzfristiger Integrationskosten
werde die Konjunktur dank des Zustroms von Arbeitskräften mittelfristig zulegen, prognostizierte die EU-Kommission am Donnerstag. Das gelte unabhängig davon, wie qualifiziert die Neuankömmlinge seien. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, dass Flüchtlinge der hiesigen Wirtschaft im günstigsten Fall bereits in rund vier Jahren mehr Gewinn bringen als sie Kosten verursachen.
Für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel liegt der Schlüssel zum Erfolg in Bildungsangeboten für Flüchtlinge. Die damit verbundenen finanziellen Anstrengungen dürften nicht an ehrgeizigen Haushaltszielen scheitern, forderte der SPD-Chef in Berlin. Auch die deutsche Wirtschaft, der rund 600.000 Fachkräfte fehlen, hält die Integration von Migranten langfristig für den entscheidenden Faktor.
Durch den Bau von Flüchtlingsunterkünften und anderen Maßnahmen erwarten die Verbände aber auch kurzfristig positive Impulse.
Erstmals stellte die EU-Kommission im Rahmen einer Konjunkturprognose Berechnungen an, wie sich der Zustrom von Flüchtlingen auf die Wirtschaft in der Europäischen Union auswirkt. Demnach hält sie die finanziellen Belastungen durch die kurzfristige Versorgung oder den Transport von Migranten für überschaubar - vor allem für Transitländer wie Italien oder Griechenland. Auch auf Deutschland als Ziel vieler Flüchtlinge kommen zunächst Kosten für die Unterbringung, für Sprachkurse oder Ausbildungsangebote zu. Wegen dieser Ausgaben dürfte die deutsche Staatsverschuldung den Brüsseler Berechnungen zufolge langsamer sinken.
Zugleich könnte die Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 aber um zusätzliche 0,7 Prozent wachsen, wenn die Neuankömmlinge die gleichen Qualifikationen mitbrächten wie die heimische Bevölkerung. Sollten die Migranten weniger Fähigkeiten aufweisen, sei trotzdem mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,5 Prozent zu rechnen. Grund für die Annahmen der Kommission sind vor allem die höhere Zahl an potenziellen Arbeitnehmern und damit an Steuerzahlern. In diesem Jahr könnte das BIP demnach in beiden Szenarien zusätzlich zwischen 0,1 und 0,2 Prozent wachsen, 2016 dann um 0,3 bis 0,4 Prozent. Je Einwohner nähme die Wirtschaftsleistung allerdings zunächst ab.
Die Prognosen der EU-Experten basieren darauf, dass in Deutschland in diesem Jahr 700.000 Migranten ankommen. Durch den Zustrom könnte die Bevölkerung, die eigentlich seit längerem schrumpft, nun um bis zu 1,1 Prozent wachsen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind allerdings schon in den ersten zehn Monaten dieses Jahres 758.000 Migranten eingereist.
"Langfristig werden die positiven wirtschaftlichen Impulse für Deutschland die Kosten übertreffen", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Sein Haus hat drei Varianten durchgespielt, wie sich der Flüchtlingsstrom auswirken könnte - je nachdem wie viele Asylbewerber kommen, wie alt und qualifiziert sie sind. Letztlich übersteige jeweils der Gewinn die anfänglichen Kosten. Bei normalem Verlauf könnte dies nach rund sechs Jahren so weit sein. "Selbst im von uns angenommenen pessimistischen Szenario erhöht sich das Pro-Kopf-Einkommen der bereits in Deutschland lebenden Menschen nach gut zehn Jahren", so Fratzscher.
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