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© Leonardo da Vinci« Salvator Mundi »: Eine Aufnahme des Bildes vor seiner Restaurierung. Das Original wird im November erstmals in der London National Gallery ausgestellt.
Nach Jahrhunderten ist ein verschollenes Werk von Leonardo da Vinci aufgetaucht. Im November wird es zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Wie prüft man ein Bild auf seine Echtheit? Ein Experte erklärt.

«Salvator Mundi» - Retter der Welt - heisst das wiederentdeckte Leonardo-da-Vinci-Bild. Als erster Käufer wird König Charles I von England (1600 - 1649) dokumentiert. Nach verschiedenen Besitzerwechseln kam es 1958 beim Londoner Auktionshaus Sotheby's für nur 45 Pfund unter den Hammer. Der Grund: Das Ölbild, das mehrere Male übermalt worden war, wurde nicht etwa Leonardo da Vinci, sondern fälschlicherweise einem seiner Schüler, Giovanni Antonio Boltraffio, zugeschrieben.

Bis es vor einigen Jahren als Bestandteil eines Nachlasses von einer Kunsthändler-Gruppe gekauft wurde und in die Hände eines Experten geriet: Robert Simon, ein New Yorker Kunsthistoriker und Galeriebesitzer, der auf die Werke alter Meister spezialisiert ist, hatte sich an dem Kauf beteiligt. Vor etwa zwei Jahren brachte er das auf Holz gemalte Jesus-Porträt Forschern des Metropolitan Museum of Art zwecks Authentizitätsprüfung. Diese bewies, was er vermutet hatte: Der «Salvator Mundi» wurde von Leonardo da Vinci geschaffen. Heutiger geschätzter Wert: Etwa 200 Millionen Dollar.

Da-Vinci-Experten haben das Bild in minutiöser Arbeit restauriert und die vielen Farbschichten, die das Original bedeckten, entfernt, wie ein Kunstkenner im Artnews Magazine erklärt. Das Bild sei schon viele Male, leider auf unprofessionelle Weise überarbeitet und somit unkenntlich gemacht worden. Als die verschiedenen Schichten entfernt wurden und das Originalbild mit Leonardo Da Vincis «typischer, äusserst feiner Malweise zum Vorschein kam, waren sich alle einig, dass das Bild von Leonardo gemalt worden war». Im November wird das komplett restaurierte Bild im Rahmen einer grossen Da-Vinci-Ausstellung in der Londoner National Gallery gezeigt. Der Direktor des Museums, Nicholas Penny, hat den «Salvator Mundi» zusätzlich von mehreren Da-Vinci-Kennern auf seine Echtheit überprüfen lassen - unter anderem auch von Pietro Marani, der die langjährige Restauration des «Abendmahls» geleitet hatte.

Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sprach mit Peter Matthaes, Direktor des Wissenschaftlichen Labors des Museo d’Arte e Scienza (Museum für Kunst und Wissenschaft) in Mailand. Das Labor wird seit Jahren mit der Überprüfung von Kunstwerken beauftragt - die sich nicht selten als Fälschungen erweisen.

Woran erkennt man eine Fälschung?

Eine Fälschung ist ein Verbrechen. Und genauso wie es kein perfektes Verbrechen gibt, existieren auch keine perfekten Fälschungen. Es wird immer ein Element auftauchen, das den Betrug enthüllen wird. Man kann von dem her unsere Arbeit mit der eines Detektivs vergleichen: Wir sammeln Indizien, Beweise, die die Authentizität belegen oder eine Fälschung entlarven. Das Holz, das aus einer anderen Zeit stammt, Farbpigmente, die damals noch nicht existierten oder eine Farbschicht, die nicht genug trocken ist.

Wie gehen Sie vor, wenn man Sie beauftragt, einen Leonardo da Vinci auf seine Echtheit zu prüfen?

Ich möchte vorausschicken, dass die Prüfung der Authentizität eines Werkes sowohl stilistisch als auch wissenschaftlich untersucht werden muss. Unser Labor ist einzig für den wissenschaftlichen Teil zuständig. Die Überprüfung eines Bildes - und dabei spielt keine Rolle, ob es sich um einen sehr wichtigen oder unbekannten Maler handelt - wird immer gleich behandelt. Der «Salvator Mundi» wurde auf einem Holzpaneel gemalt. Dieses würden wir zuerst untersuchen, denn Holz ist eines der wenigen Materialien eines Bildes, das wissenschaftlich mit fast absoluter Genauigkeit datiert werden kann. Unser Labor benutzt dazu die Infrarot-Spektroskopie. Alle Materialien dieser Erde, einschliesslich derjenigen, die für Kunstobjekte verwendet werden, bestehen aus einer Mischung spezifischer Moleküle. Diese verändern sich mit der Zeit - und können dank dieser Methode genau gelesen werden.

Und was lesen Sie daraus?

Zum Beispiel aus welcher Epoche das Holzpaneel stammt - würde es aus einer Zeit nach Leonardo da Vinci stammen, dann kann es sich logischerweise nur um eine Fälschung handeln. Stimmt das Resultat zeitlich überein, so ist dies ein wichtiger Hinweis zugunsten der Authentizität. Ist das Holz viel älter als das Bild, sind weitere Abklärungen nötig, denn auch ein Da Vinci hat vielleicht eine alte Unterlage für sein Werk gebraucht.

Und was kann uns die Farbe verraten?

Man untersucht zum Beispiel den Trockenheitsgrad der Farbe. Ist das Bindemittel der Farbe trocken oder ist es noch elastisch und weich? Dann schaue ich mir die Beschaffenheit der «Craquelure» an. Damit bezeichnet man die kleinen, aderförmigen Risse auf einem Bild. Wir prüfen, ob diese auf natürliche Weise oder mittels chemischer Zusatzmittel entstanden ist. Sehr interessant sind auch Farbpigmente. Im Fall eines Da Vinci müssen sie selbstverständlich von Hand und nicht etwa industriell gemischt worden sein. Die Farben müssen den Pigmentkompositionen ihrer Zeit entsprechen.

Das neu entdeckte Bild war mehrschichtig übermalt worden. Das macht es noch komplizierter.

Ja, das macht es. Wir benutzen in so einem Fall Ultraviolett-Lampen, Mikroskope, spezielle Reflexkopierverfahren oder auch Röntgenstrahlen - auf diese Weise können wir in die unteren Gemäldeschichten dringen und längst verdeckte Zeichnungen entdecken. Im Fall eines Da-Vinci-Verdachtes werden noch viele weitere spezifische, nur auf diesen Meister abgestimmte Untersuchungen gemacht. Da Vinci ist logischerweise sehr intensiv erforscht worden, von dem her existieren ausserordentlich viele Dokumentationen zu seinen Werken - diese sind für Vergleiche sehr hilfreich, wobei diese Aufgabe in den Bereich des Kunsthistoriker fällt.