Für alle Übel unserer Zeit soll der russische Präsident verantwortlich sein, schreibt der „Spiegel“-Kolumnist Jakob Augstein. Doch diese Analyse sei allzu einfach.
Merkel mit zersauster Frisur
© AFP 2016/ Francois Nascimbeni
„Vom Ukrainekonflikt über die Flüchtlingskrise bis hin zu Pegida: Der russische Präsident wird für alles verantwortlich gemacht, was auf dem Kontinent schiefläuft“, so der Autor. „Demnächst noch für Merkels Frisur. Putin ist wie ein Geist. Aber wie für alle Geister gilt auch für diesen: Den Putin, den wir überall sehen, den erfinden wir uns selbst.“

„So ist vieles, was heute mit den Russen zu tun hat: Man sagt nicht, dass es so ist — aber auch nicht, dass es nicht so ist“, heißt es im Kommentar.

„Überall Anarchisten, Agitatoren, Terroristen — und Russen. Wir lesen unsere Gegenwart wie einen Roman aus dem viktorianischen Zeitalter: hier das helle Europa, das vernünftig regiert wird — dort das dunkle Russland, das der Gewalt, der Willkür und den Leidenschaften ausgeliefert ist, und das nach unserem Verderben trachtet.“

Nach Ansicht des Kommentators sei eine dämonisierte Figur des russischen Präsidenten für Europas Politiker und Medien langsam unentbehrlich geworden.

"In Wahrheit dient diese Rhetorik dem Westen dazu, die eigene Aufrüstung in Osteuropa zu rechtfertigen. Denn dieser neue Kalte Krieg, er kommt uns selbst ganz gut zupass. Als Geist, der stets verneint, so brauchen wir unseren Putin!“