Europa macht die Grenzen dicht. Ein großer Fehler, sagen die Geflüchteten selbst.
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© Marc RöhligIn mehr als hundert Städten demonstrieren weltweit Flüchtlinge für sichere Routen und mehr Akzeptanz
An das Mikrofon tritt ein junger Syrer. Er singt ein Lied aus seiner Heimat: Eine tiefe, traurige Stimme erfüllt die Hamburger Luft. Menschen fassen sich an den Händen.

Der Gesang stimmt ein auf die Aktion #safePassage ein. Rund 250 Menschen treffen sich am Samstag vor dem Hamburger Hauptbahnhof, zeitgleich finden weitere Demonstrationen in mehr als hundert Städten statt. Die Demonstranten fordern einen sicheren und legalen Korridor für Menschen, die aus dem Nahen Osten nach Europa fliehen wollen.

In Deutschland beteiligen sich neben Hamburg auch Berlin, Frankfurt, Dresden und Flensburg. Weltweit sind vor allem europäische Städten, aber auch Demons in Israel, der Türkei und in New York dabei. In Spanien, wo die Aktion initiiert wurde, beteiligen sich Initiativen aus mehr als 40 Städten.

Der Aktionstag kommt in einer schwierigen Zeit. In der vergangenen Woche gab es in der Flüchtlingsfrage nur harte Antworten: Die Grenzen der Balkanroute wurden geschlossen, immer mehr europäische Staaten führten Obergrenzen für Flüchtlinge ein, Deutschland verabschiedete eine Verschärfung des Asylrechts.

Die Atmosphäre auf der Hamburger Demo in Bildern:

Flüchtlingsdemo
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Wir haben auf der Hamburger Demo mit jungen Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan über ihren Blick auf Europa gesprochen:

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Bayan, 24, aus Dair as-Saur, Syrien
"Die Lage in Syrien ist immer noch schrecklich. Angeblich soll es seit dieser Nacht eine Waffenruhe im Land geben, Freunde haben mir aber auf Facebook Bilder von neuen Kämpfen geschickt. Es gibt weiterhin Schießereien und Bombenabwürfe. Europa darf daher seine Grenzen nicht vor Flüchtlingen schließen.

Wir sind ja keine Bedrohung: Ich habe in Damaskus einen Abschluss in Jura gemacht. Vor einem Monat bin ich mit dem Boot über das Mittelmeer geflüchtet. Was ist schlimm an mir? Europa sollte lernen, gemeinsam Verantwortung für die Flüchtlinge zu übernehmen: Öffnet einfach die Grenzen und gebt uns ein Stück Frieden!"
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Ali Reza, 20, aus Herat, Afghanistan
"Ich möchte hier so viel lernen, die Sprache, die Kultur. Ich bin seit sechs Monaten hier - und schon jetzt verdanke ich Deutschland so viel. Hier fühle ich mich zum ersten Mal wieder sicher. Einfach nur Danke, Danke für alles!

Die Flucht war ein großes Problem, gerade Ungarn behandelt Flüchtlinge sehr schlecht. In Mazedonien und Serbien war es da besser. Vielleicht könnten die Länder mehr zusammenarbeiten, um den Weg für Flüchtlinge besser und sicherer zu machen."
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Samir, 32, aus Damaskus, Syrien
"Deutschland verhält sich gegenüber uns Fliehenden sehr freundlich, aber viele andere europäische Länder müssen dringend ihre Flüchtlingspolitik verbessern. Macht die Grenzen wieder auf und heißt uns willkommen! Jeden Tag sterben Kinder in Syrien oder ertrinken im Mittelmeer - und Europa schaut einfach zu.

Ja, ich bin Araber. Ja, ich bin auch Muslim. Aber hey, deshalb bin ich doch kein Terrorist. Schau mich an: Ich bin lieb, ich bin lustig, ich bin keine Gefahr. Dass wir alle aufeinander zugehen und uns kennenlernen, ist das Wichtigste."
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Fatima, 23, aus Ghasni, Afghanistan
"Das Zusammenleben muss sich Stück für Stück verbessern. Ich bin Muslima und es ist noch nicht so leicht, hier in Deutschland akzeptiert zu werden. Dennoch möchte ich nicht zurück: Ich habe zwei kleine Kinder, in Afghanistan muss ich um ihr Leben fürchten."
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Modar, 23, aus Damaskus, Syrien
"Ich bin schon seit zwei Jahren in Deutschland und habe hier schon viel Unterstützung erfahren. In Syrien habe ich als Journalist gearbeitet und musste mir viel Elend ansehen. Wenn ich jetzt Nachrichten aus der Heimat lese, dann weiß ich, dass es so schnell keinen Waffenstillstand geben wird. Das ist nur Gerede in der Politik, keine Wirklichkeit.

Wie kann sich nun die Lage für uns alle in Deutschland verbessern? Klar, es gibt unter Flüchtlingen wie unter Deutschen gute und schlechte Menschen, das ist normal. Man muss einfach lernen, sich zu akzeptieren. Auch Europa muss wieder eins werden und die Flüchtlingsfrage gemeinsam lösen. Und die löst man nicht in Griechenland oder Mazedonien, sondern nur in Syrien."
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Aslam, 26, aus Ghasni, Afghanistan
"Ich bin Hasara. Wir sind eine Minderheit in Afghanistan und werden von den Taliban verfolgt. Die Taliban sind immer noch da und sehr gefährlich. Und jetzt gibt es in meiner Heimat auch schon die ersten von Daesh [arabisch, umgangssprachlich für die Terrormiliz "Islamischer Staat", Anm. d. Red.]. Afghanistan ist so schon voller Probleme. Wie soll es erst mit Daesh werden?"