Chicago. Bei Kleinkindern erhöht Fernsehen das Risiko von Schlafstörungen. Durch den TV-Konsum, so Experten, würden sie geistig gereizt und könnten nur sehr schlecht zur Ruhe kommen. Schlafmangel aber sei "so gefährlich wie Eisenmangel".
Kind schaut TV
© UnbekanntAuf Grundlage neuer Forschungen empfiehlt die Amerikanische Akademie für Pädiatrie, bei Kindern bis zum zweiten Lebensjahr vollständig auf Fernsehen zu verzichten.

Wenn ein Kleinkind an Schlafstörungen leidet, dann muss möglicherweise häufiger der Fernseher ausgeschaltet werden. Das zeigt zumindest eine neue Studie aus den USA. Für die Untersuchung wurde das Schlafverhalten von mehr als 600 Jungen und Mädchen im Alter von drei bis fünf Jahren ausgewertet. Das Ergebnis: Wenn die Flimmerkiste oft auch nach 19 Uhr noch läuft, kommt es leicht zu Problemen. Auch Gewaltszenen, und sei es in einer Zeichentrickserie, können sich negativ auf die Nachtruhe der Kleinen auswirken.

Auf Grundlage dieser Forschungen empfiehlt die Amerikanische Akademie für Pädiatrie, bei Kindern bis zum zweiten Lebensjahr vollständig auf Fernsehen zu verzichten. Ab dem dritten Lebensjahr sollte der Konsum demnach auf maximal zwei Stunden beschränkt bleiben. Praktizierenden Kinderärzten legen die Wissenschaftler zudem nahe, das Thema TV-Nutzung gegenüber Eltern auch bei jeder Kontrolluntersuchung anzusprechen - und dabei insbesondere davor zu warnen, dem Kind ein eigenes Gerät ans Bett zu stellen. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass zumindest in den USA in mindestens jedem vierten Kinderzimmer ein TV-Gerät steht. Viele Eltern gingen davon aus, dass ein laufender Fernseher dem Kind beim Einschlafen helfe, doch das sei vollkommen falsch, sagt Michelle Garrison von der Forschungsabteilung eines Kinderkrankenhauses in Seattle. In ihrer neuen Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Pediatrics veröffentlicht wurde, belegt sie dies auch mit Zahlen.

Zahlen zeigen klare Zusammenhänge

Von 617 untersuchten Kindern litten demnach insgesamt 112 fast täglich an mindestens einer Art von Schlafstörungen - an Problemen beim Einschlafen, an nächtlichem Aufwachen, an Albträumen oder an Müdigkeit am Tage. Bei den meisten der Betroffenen habe eine ungesunde TV-Nutzung vorgelegen, sagt Garrison. Etwa 60 Kinder schauten sich den Angaben zufolge täglich im Durchschnitt mehr als eine Stunde lang Sendungen mit gewaltsamen Inhalten an - bei 37 Prozent von ihnen sei es zu Schlafstörungen gekommen. Fast hundert Kinder hätten regelmäßig mehr als eine halbe Stunde lang nach 19 Uhr ferngesehen, heißt es weiter - hier seien in 28 Prozent der Fälle Schlafprobleme aufgetreten.

Die Erkenntnisse werden von anderen Experten bestätigt. "Dies deckt sich ganz und gar mit dem, was auch ich beobachte", sagt Dennis Rosen, ein Spezialist für Schlafforschung an einem Kinderkrankenhaus in Boston. Auch der Fachmediziner Marc Weissbluth aus Chicago, der mehrere Bücher zum Thema verfasst hat, gibt Garrison recht. Weissbluth zufolge schlafen Kinder am besten dann ein, wenn das "ins Bett bringen" mit festen Ritualen verbunden ist - etwa mit dem Vorlesen von Geschichten oder einem kurzen Schmusen mit den Eltern.

Geistige Reizung durch abendliches Fernsehen

Fernsehen allerdings habe genau den gegenteiligen Effekt, sagt Weissbluth. Dadurch werde das Kind geistig gereizt und könne nur sehr schlecht zur Ruhe kommen. Dies wiederum schlage sich häufig in einer erhöhten Müdigkeit bei Tage nieder. Zwar sei das Bedürfnis nach einem Mittagsschlaf in dem Alter relativ in Ordnung. Schläfrigkeit am späten Nachmittag oder am frühen Abend sollte dem Fachmediziner zufolge hingegen als Zeichen dafür gesehen werden, dass mit der Nachtruhe etwas nicht stimmt. Und das Problem dürfe nicht unterschätzt werden, sagt Weissbluth weiter. Denn Schlafmangel sei "so gefährlich wie Eisenmangel". Mögliche Folgen sind seinen Forschungen zufolge Verhaltensschwierigkeiten, Probleme beim Erinnerungsvermögen und nicht zuletzt Lernschwierigkeiten.

(dapd)