Menschen, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen, identifizieren andere Schuldige sehr sicher. Sie vergeben diesen dann auch eher. Forscher haben eine Erklärung für dieses Verhalten gefunden.
schlechtes Gewissen, Entschuldigungen,Wiedergutmachung
© Getty ImagesWer selbst in jüngster Zeit etwas angestellt hat – der nimmt Entschuldigungen eher an
Wahrscheinlich ist es Ihnen auch schon mal aufgefallen: Wer ein schlechtes Gewissen hat, ist ein ganz besonders netter Mensch - zumindest so lange, bis das schlechte Gewissen wieder weg ist. Das muss nicht heißen, dass derjenige mit einem plumpen Blumenstrauß nach Hause kommt, wenn er oder sie etwas ausgefressen hat. Aber Schuldgefühle erhöhen stark die Bereitschaft, anderen Gutes zu tun. Psychologen sagen auch: sozial zu handeln.

Das scheint logisch, wenn es auf den gerichtet ist, dem man etwas angetan hat. Schließlich ist derjenige wohl eher bereit zu vergeben, wenn der Schuldige seinen Fehler eingesteht und sich bereit erklärt, ihn wiedergutzumachen. Bisher noch nicht bekannt war allerdings, dass auch andere von dem Schuldgefühl profitieren können. Selbst dann nämlich, wenn sie gar nichts mit der bösen Tat zu tun haben. Denn wer sich schuldig fühlt, ist viel eher bereit, anderen Schuldigen zu vergeben.

Solidarität unter Schuldigen

Jennifer Jordan von der University of Groningen fand das in einer Studiezusammen mit zwei Kollegen heraus, von der die Forscher im European Journal of Social Psychology berichten. In vier Experimenten testeten sie ihre Hypothese, nach der jene, die sich schuldig fühlen, sich mit anderen Schuldigen automatisch identifizieren - und deshalb sehr viel Gnade walten lassen. Das liegt daran, dass man sich in Menschen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden wie man selbst, besonders gut und schnell einfühlen kann.

Die Versuchsteilnehmer sollten in einem der Experimente zum Beispiel erst einen kleinen Text schreiben. Die Hälfte von ihnen sollte sich dabei auf eine Situation konzentrieren, in der sie selbst jemandem geschadet hatten und deshalb unter Schuldgefühlen litten. Die andere Hälfte der Versuchsteilnehmer sollte eine ähnliche Situation beschreiben, in der sie sich aber nicht schuldig fühlten. Danach lasen alle Probanden eine kleine Szene aus dem Arbeitsalltag, in denen sich andere Menschen schuldig machten.

Fehler machen sanftmütig

Schließlich fragten die Wissenschaftler ab, wie ähnlich sich die Teilnehmer den schuldig Gewordenen fühlten, wie sehr sie sich mit deren Gedanken und Gefühlen identifizieren konnten und wie groß ihre Bereitschaft war, den Fauxpas zu vergeben.

Tatsächlich waren eher jene bereit dazu, die sich zuvor an ihre eigenen Fehler erinnert hatten - und sich für diese schuldig fühlten. Das funktionierte auch in einem anderen Experiment, in dem die Probanden nicht das fiktive Beispiel aus dem Alltag lasen, sondern an jemanden dachten, der ihnen in der Vergangenheit wirklich Schaden zugefügt hatte.

In einem dritten Versuch fanden die Wissenschaftler noch heraus, dass Schuld umso mehr belastet, je näher man sich der Person fühlt, der man Schaden zugefügt hat - und im Gegenzug auch umso mehr die Bereitschaft forciert, anderen zu vergeben. Und in einem vierten Versuch kam heraus, dass Menschen, die sich schneller schuldig fühlen als andere, auch schneller anderen vergeben. Der eigene Wunsch nach Vergebung ist es also, der Menschen bewegt, auch anderen zu vergeben, schlussfolgern die Forscher.