Nach tagelangen Treibstoff-Blockaden wollen französische Gewerkschaften den Druck gegen die Arbeitsmarktreform der Regierung weiter erhöhen. Für heute haben sie zu einem weiteren nationalen Aktionstag mit Streiks und Demonstrationen aufgerufen. Doch worum geht der Streit eigentlich?

Protest (France May Mai 2016) Französische Demonstranten errichten neue Blockaden
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Französische Gewerkschafter haben ihre Proteste gegen die umstrittene Arbeitsmarktreform mit Straßenblockaden an Treibstoffdepots fortgesetzt.

Behörden und Medien berichteten von Aktionen in Brest, Rennes und in der Normandie. Nach tagelangen Streiks und Blockaden, die Versorgungsengpässe an vielen Tankstellen ausgelöst haben, wollen die Gegner des Gesetzes mit einem neuen nationalen Aktionstag den Druck auf die Regierung erhöhen.

In Paris und zahlreichen weiteren Städten sind Kundgebungen angekündigt, auch im Bahnverkehr und am Flughafen Paris-Orly sind wegen Streiks Störungen zu erwarten. Die Gewerkschaft CGT hat auch Streiks in Atomkraftwerken angekündigt.

Angesichts der Proteste gegen ihre Arbeitsmarktreform hat Frankreichs Regierung mögliche Nachbesserungen am Gesetzestext angedeutet. "Es kann immer Veränderungen, Verbesserungen geben", sagte Premierminister Manuel Valls am Donnerstag im Sender BFMTV.

Es sei aber außer Frage, die Philosophie des Textes zu ändern. Der Streit um die Reform hat sich zu einem der härtesten politischen Konflikte der vergangenen Jahre in Frankreich entwickelt. Seit Monaten protestieren Gewerkschaften gegen die Regierungspläne, die das Arbeitsrecht flexibler machen sollen, um Unternehmen die Schaffung von Jobs zu erleichtern.

Darum geht es in der umstrittenen Arbeitsmarktreform

Frankreich leidet unter hoher Arbeitslosigkeit. Die Regierung hofft, durch die Reform des als starr geltende französischen Arbeitsrechts neue Jobs zu schaffen. Die Kritiker fürchten hinegegen die Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten. Das sind die Reformpunkte.

- Mehr Entscheidungsmacht auf Unternehmensebene: Das Gesetz soll es Unternehmen ermöglichen, mehr Regeln direkt mit den Arbeitnehmervertretern auszuhandeln. Solche Vereinbarungen hätten bei bestimmten Fragen (insbesondere zur Arbeitszeit) Priorität vor Einigungen auf Branchenebene. Firmen sollen sich so besser an ihre Lage anpassen können. Gegner fürchten Sozialdumping. Experten sehen dahinter das Problem, dass das Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Frankreich von Konfrontation geprägt ist - eine Verhandlungskultur wie in Deutschland gibt es nicht.

- Arbeitszeit: Das Gesetz rührt die gesetzliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden - für Frankreichs Linke eine heilige Kuh - nicht an. Doch es macht Abweichungen leichter. Die Höhe der Zuschläge für Überstunden kann etwa künftig auf Unternehmensebene ausgehandelt werden und hat dann Vorrang vor Branchenvereinbarungen. Das gleiche gilt für eine zeitlich begrenzte Erhöhung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit inklusive Überstunden.

- Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen: Der Text legt teils neue Regeln fest, wann Firmen in Schieflage Mitarbeiter entlassen dürfen. Ein Grund ist der deutliche Rückgang der Bestellungen oder des Umsatzes über einen von der Unternehmensgröße abhängigen Zeitraum. Kritiker fürchten, dass Entlassungen leichter werden.


Kommentar:
"Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast."

- Ausweitung der "Jugend-Garantie": Junge Leute ohne Arbeit, Ausbildungs- oder Studienplatz haben ab 2017 generell ein Anrecht auf Unterstützung. Bislang wird diese Hilfe nicht überall angeboten.

- Recht auf Abschalten: Das Gesetz führt ein neues Prinzip ins Arbeitsrecht ein, das Recht auf Abschalten - das bedeutet etwa, in der Freizeit keine Berufs-Emails lesen zu müssen. Unter welchen Bedingungen die Unternehmen dies umsetzen, soll vom Arbeitgeber festgelegt oder mit dem Betriebsrat ausgehandelt werden.

Einige besonders kontroverse Vorschläge wurden angesichts der Proteste bereits gestrichen - beispielsweise eine Deckelung der Abfindungen bei ungerechtfertigten Kündigungen. (cai/dpa)