Während die meisten Archäologen in sogenannten Ganggräbern hauptsächlich megalithische Ritual- und Grabbauten sehen, haben Archäo-Astronomen nun deren Nutzbarkeit zur astronomischen Beobachtung lichtschwacher Sterne und des Aldebaran aufgezeigt. Sollte sich seine Theorie bestätigen, könnten sich quer durch Europa unzählige dieser prähistorischen Observatorien und Vorgänger von Teleskopen finden.
Dolmen da Orca
© Fabio SilvaDer „Dolmen da Orca“ in Portugal.
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Nottingham (Großbrittanien) - Charakteristisch für die sogenannten Ganggräber ist der namensgebende lange Gang, der die eigentliche, meist unterirdisch gelegene Haupt- bzw. Grabkammer durch den Eingang mit der Oberfläche verbindet. Derartig angelegte Gräber finden sich hauptsächlich in Deutschland und Skandinavien, sowie vereinzelt in Frankreich und in den Niederlanden - aber auch bis nach Portugal.

Auf dem National Astronomy Meeting in Nottingham berichteten Kieran Simcox und Fabio Silva von der University of Wales Trinity Saint David von ihren Untersuchungen zahlreicher Ganggräber und der Entdeckung, dass diese gerade zur Beobachtung lichtschwacher Sterne genutzt werden konnten (...und können), die sonst mit bloßem Auge nur schwer oder gar nicht zu erkennen sind. Silva vermutet, dass es sich bei den Anlagen um die ersten astronomischen Beobachtungsinstrumente überhaupt handeln könnte.

„Durch die Dunkelheit in der Hauptkammer und den Blick durch den ebenfalls dunklen, am Ende aber zum Horizont gerichteten Blick, gewöhnen sich die Augen schnell an die Dunkelheit und Sternenkundige Beobachter können gerade vor Sonnenaufgang dann noch lichtschwache Sterne beim erstmaligen jahreszeitlichen Aufgang beobachten“, so Silva.

Grundriss
© William Frederick Wakeman (1903), gemeinfrei
Grundriss und Schnitt des berühmten irischen Ganggrabs von Newgrange.
Tatsächlich gibt es zahlreiche archäologische Hin- und Beweise dafür, dass viele prähistorische Gemeinschaften ihre Wanderungen und landwirtschaftlichen Aktivitäten mittels astronomischer Ereignisse geplant haben - wenn etwa bestimmte Sterne zum ersten Mal wieder oberhalb des Horizonts zu sehen waren. Zudem legen andere Funde nahe, dass es - wohl aus rituellen Gründen - durchaus üblich war, ganze Nächte gemeinsam mit den Toten in den Grabanlagen zu verbringen. Silva vermutet nun, dass die Bauten die beiden Phänomene miteinander verbanden.

Für ihre Studie haben Silva und Kollegen zahlreiche, rund 6.000 Jahre alte Ganggräber in Portugal untersucht und hierbei festgestellt, dass durch viele von ihnen neben den lichtschwachen Sternen vornehmlich der alljährliche Aufgang des Sterns Aldebaran Ende April, nach dessen monatelanger Abwesenheit, beobachtet werden konnte (siehe Abb.). „Wahrscheinlich war der frühmorgendliche Aufgang des hellsten Sterns im Stier dann das Zeichen dafür, dass das Vieh auf die Sommer-Bergweiden geführt werden konnte“, vermuten die Forscher.

Himmel östlicher Horizont
© Fabio SilvaBlick auf den am frühmorgendlichen Himmel vor rund 6.000 Jahren am östlichen Horizont Ende April aufgehenden Aldebaran.
Gegenüber dem „New Scientist“ erklärte auch Frank Prendergast vom irischen Dublin Institute of Technologym der nicht an der Studie beteiligt war, die Theorie für durchaus plausibel. Auch er entdeckte, dass von rund 130 Ganggräbern in Irland etwa ein Fünftel auf den Sonnenauf- oder Untergang zu den Sonnenwenden ausgerichtet sind und erklärt abschließend: „Sinn und Zweck dieser Bauten war nicht alleine die Grabanlage. Da gibt es noch sehr viel mehr.“