Ein schweres Erdbeben hat sich in der Nacht auf Mittwoch in Mittelitalien ereignet. In den Regionen Latium und Marken sind mindestens 63 Erwachsene und Kinder ums Leben gekommen, Tausende wurden obdachlos. Die Orte Amatrice und Accumoli wurden praktisch völlig zerstört. Schwerste Schäden richtete das Beben auch in der kleinen Gemeinde Arquata an. Allein dort wurden bisher 35 Tote gezählt.
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Das Beben in einer Tiefe von vier Kilometern hatte nach Angaben der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) in Wien eine Magnitude von 6,2. Es war vereinzelt sogar in grenznahen Regionen von Kärnten und der Steiermark zu spüren. Panik riefen die Erdstöße - dem ersten Beben um 3.36 Uhr folgten mehrere zum Teil heftige Nachbeben - auch in der umbrischen Stadt Norcia hervor. In der Geburtsstadt des Heiligen Benedikt (geb. 480) wurde der Dom in Mitleidenschaft gezogen. Zu spüren waren die Erdstöße auch im rund 140 Kilometer vom Epizentrum entfernten Rom, wo Menschen aus dem Schlaf gerissen wurden. Das Kolosseum in Rom soll auf mögliche Schäden überprüft werden.

Am Nachmittag war dann in Arquata ein Nachbeben mit der Magnitude 4,9 auf der Richterskala zu spüren. Das neue Beben löste Angst unter der Bevölkerung aus, berichteten italienische Medien.

“Amatrice existiert nicht mehr, unsere ganze Gemeinde liegt in Trümmern”, sagte Bürgermeister Sergio Pirozzi. In dem Ort mit seinem mittelalterlichen Zentrum, der sich auf der Liste der schönsten Dörfer Italiens befindet, haben viele Römer ihre Urlaubsdomizile. Amatrice galt als Gastronomie-Hochburg und ist Namensgeber der Pasta all’ Amatriciana. 2.600 Einwohner wurden obdachlos. “Es ist eine Tragödie wie in L’Aquila vor sieben Jahren”, sagte der Bürgermeister der Stadt in den Abruzzen. Dort kamen bei einem Erdbeben 2009 fast 300 Menschen ums Leben.

Vom Schicksal besonders getroffen wurde eine Mutter, die wegen des schweren Beben in L’Aquila aus der Stadt weggezogen war. Sie verlor bei dem jetzigen Beben laut Medienberichten ihr Kind. Martina Turco war demnach mit ihrem Partner und ihrer eineinhalbjährigen Tochter in Arquata del Tronto in ihrem Ferienhaus, als das Gebäude einstürzte. Die Frau und ihr Lebensgefährte überlebten, der Vater mit Verletzungen am ganzen Körper. Beide wurden in ein Krankenhaus gebracht. Für die kleine Marisol kam die Hilfe zu spät.

Der Bürgermeister des Ortes Accumoli, Stefano Petrucci, sprach von 2.500 Menschen ohne Dach über dem Kopf. Es sei kein einziges Haus mehr bewohnbar. “Wir müssen eine Zeltstadt für die gesamte Bevölkerung organisieren”, sagte Petrucci. “Obwohl August ist, herrschen hier nachts zehn Grad.”

Der italienische Regierungschef Matteo Renzi und Präsident Sergio Mattarella haben den Opfern des Erdbebens bereits Hilfe zugesagt. Aus vielen Ländern gingen Zusagen für Unterstützung ein. “Wir bieten unsere bestmögliche Unterstützung an”, schrieb Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) auf Twitter an seinen italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni. Auch österreichische Hilfsorganisationen leisteten über italienische Partnerorganisationen Unterstützung.

Eines der Probleme in der gebirgigen Region ist die schlechte Erreichbarkeit der Dörfer. Straßen waren zum Teil durch Steinschlag verlegt. Auf dem Weg nach Amatrice war eine Brücke teilweise eingestürzt. Das Beben führte auch zu einem Stromausfall, von dem Zehntausende Haushalte betroffen waren. Verletzte - ihre Zahl stand vorläufig nicht fest - mussten in weiter entfernte Spitäler gebracht werden. In Amatrice stürzte das kleine Krankenhaus zwar nicht ein, war aber großteils unbrauchbar. 15 Patienten mussten das Gebäude in der Nacht in aller Eile verlassen.

Für die Obdachlosen des Erdbebens sollen nun zwei Zeltstädte in den Orten Pescara und Arquata del Tronto aufgebaut werden. Zunächst werden dort insgesamt an die 50 Zelte aufgestellt werden. Auch in Sporthallen sollen Menschen untergebracht werden. Nach ersten Schätzungen sind wahrscheinlich mehrere tausend Menschen ohne Unterkunft. Unter ihnen sind auch zahlreiche Touristen.

Italien gehört zu den besonders erdbebengefährdeten Ländern Europas. Ein Beben mit einer Stärke wie jetzt in Latium und den Marken kommt in Italien durchschnittlich alle zehn Jahr vor. Unter dem Land bewegt sich ein etwa tausend Kilometer langer Keil der afrikanischen Platte mehrere Meter im Jahrhundert nach Norden und Westen und drückt gegen die Alpen und den Apennin. Dabei bauen sich Spannungen im Untergrund auf. Werden diese Spannungen zu groß, kommt es zu einem Bruch und die Erde bebt.

Von: apa


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Amatrice ist einer der am stärksten zerstörten Orte.
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© FILIPPO MONTEFORTE/AFPDas Epizentrum des Bebens lag nahe der Ortschaft Norcia in der Provinz Perugia. Die Orte Accumoli und Amatrice sind am schwersten betroffen.
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© FILIPPO MONTEFORTE/AFPDas Beben überraschte die Menschen im Schlaf.
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© igili del Fuoco/Handout/ReutersEine Luftaufnahme zeigt das Ausmaß der Zerstörung von Amatrice.
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© dpaDas Epizentrum des Bebens lag laut Ansa bei Accumoli, ungefähr 150 Kilometer nordöstlich von Rom.