Geröll, zersplitterte Fenster und zerborstenes Holz: Im Zentrum der Kleinstadt Amatrice ist nach dem Erdbeben laut Bürgermeister Pirozzi kein Haus zu retten. Doch der Ort soll neu aufgebaut werden. Insgesamt stiegt die Zahl der Todesopfer auf 267.
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Amatrice gehörte einst zu den "schönsten Dörfern Italiens" - eine Auszeichnung für Orte mit besonderen kulturellen und architektonischen Merkmalen. Doch seit dem schweren Erdbeben vor zwei Tagen steht in dem Jahrhunderte alten Städtchen mit ihrem mittelalterlichen Zentrum kein Stein mehr auf dem anderen.

Die Stadt wurde so verwüstet, dass Bürgermeister Sergio Pirozzi nun erklärte, sie sei nicht mehr zu retten. "Amatrice muss komplett dem Erdboden gleichgemacht werden", sagte er. Doch die Stadt soll wieder auferstehen: "Wir wollen Amatrice am gleichen Ort, vielleicht in gleicher Form und mit der gleichen Ästhetik wieder aufbauen."

Vierjährige überlebt in den Armen ihrer toten Schwester

Allein in Amatrice, das erneut von mehreren Nachbeben erschüttert wurde, starben mehr als 200 Menschen bei dem Beben in der Nacht zum Mittwoch. Insgesamt stieg die Zahl der Todesopfer auf 267. Und die Hoffnung schwindet, noch Überlebende aus den Trümmern zu retten.

Für die Helfer in der Region liegen Trauer und Freude in diesen Tagen nah beieinander: In dem verwüsteten Ort Pescara del Tronto in der Region Marken zogen sie am Tag nach der Katastrophe ein vierjähriges Mädchen lebend aus den Trümmern ihres Kinderzimmers, wie die Zeitung La Repubblica berichtet. Das Mädchen habe eng umarmt unter zwei Metern Geröll neben ihrer älteren Schwester gelegen. Für die Schwester sei jedoch Hilfe zu spät gekommen. Die Eltern der Kinder überlebten demnach schwer verletzt, sie waren schon Stunden vorher gerettet worden.

Staatsbegräbnis für die ersten Opfer

Italiens Regierung ordnete für den morgigen Samstag ein Staatsbegräbnis für einige Opfer der Katastrophe an. Zusätzlich wurde Staatstrauer ausgerufen, an allen öffentlichen Gebäuden werden die Flaggen aus Halbmast gesetzt.

Mehr Sicherheit - das wird dauern

Inzwischen fragen manche, warum überhaupt so viele Gebäude nicht sicherer waren. Die Staatsanwaltschaft von Rieti in Latium hat Ermittlungen aufgenommen. Es geht um die Frage, warum auch frisch sanierte Gebäude einstürzten - wie etwa eine Schule im Ort Amatrice und ein Kirchturm in Accumoli. "Wir haben für die Schule eine Bescheinigung bekommen, dass sie stabil sei - zwar nach einem anderen, kleineren Beben - aber trotzdem. Sie haben uns sogar gelobt. Ich verstehe vieles einfach nicht", sagte Bürgermeister Pirozzi.

Tatsächlich ist manches schwer zu durchblicken. Nach den Beben 2009 und 2013 etwa wurden neue Sicherheitsvorschriften für Gebäude in Kraft gesetzt. Es gibt Geldtöpfe und Zuschüsse, nicht nur für Neubauten, sondern auch, um ältere Gebäude nachzurüsten. Aber die Zuständigen nutzen diese Möglichkeiten kaum. Aus Sicht des Ingenieurs Mauro Giuliani von der Universität Mailand sind die Vorschriften zu kompliziert: "Diese Regeln scheinen einen Selbstzweck zu haben. Es geht fast nur darum, das Formular und die Regeln zu beachten. Dabei vergisst man, sich um den Bau und die Konstruktion zu kümmern."

50 Millionen Euro für den Wiederaufbau

Italiens Regierung unter Matteo Renzi versprach, für die Zukunft vieles einfacher zu gestalten. Donnerstagabend gab Kabinett Soforthilfen frei, 50 Millionen Euro. Renzi hat sich außerdem klar für den Wiederaufbau positioniert. Die Bergdörfer sollen an selber Stelle neu entstehen, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben können.

Mit Informationen von Von Markus Epping, ARD-Studio Rom