Wittenberg. Schwere Zeiten für Landwirte. Erst Wasser ohne Ende auf den Feldern, dann monatelange Trockenheit, jetzt verhagelt tagelanger Regen die Ernte. "Wir sind erschrocken, wie wenig von den Feldern geholt wird", sagte am Montag Hartmut Steiner, Vorsitzender des Wittenberger Bauernverbandes und Geschäftsführer der Agrofarm Zahna gegenüber der MZ. Die Qualität leidet durch die Nässe, ein Teil des Getreides taugt womöglich nur noch als Futtermittel. Gegenwärtig freilich kann überhaupt nicht geerntet werden, weil die Maschinen bei den aufgeweichten Böden nicht auf die Felder kommen. "Es ist", stöhnt Steiner, "ein absolut schwieriges Jahr." In der Kornbildungsphase fehlte das Wasser, beim Ernten gibt es zu viel davon.
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© Thomas KlitzschDer Roggen hat durch den Regen gelitten, er muss dringend vom Feld. Werner Gutzmer rechnet mit erheblichen Ertragseinbußen.

Dabei sind die Zahnaer noch ganz gut dran. Sie haben Donnerstag vergangener Woche, gerade vor dem großen Regen, die Getreideernte eingefahren. "Freitag konnten wir das Stroh bergen. Darüber sind wir glücklich." Hartmut Steiner schätzt die Einbußen beim Getreide auf rund 20 Prozent. Andere hantieren mit erheblich größeren Zahlen. Werner Gutzmer zum Beispiel, Chef der Agrargenossenschaft Pretzsch. Er geht von Ertragseinbußen zwischen 40 und 50 Prozent im Vergleich zu normalen Jahren aus. "Der Regen hat die Ernte unterbrochen. Wir brauchen noch dreieinhalb Tage zum Fertigwerden." Auf den Feldern der Genossenschaft stehen noch 70 Hektar Weizen, 80 Hektar Roggen, ein bisschen Raps und Sonnenblumen.

"Bis Sonntag hatten wir 64 Liter Niederschlag pro Quadratmeter", sagt Christian Gramzow von der benachbarten Agrargenossenschaft Trebitz. "Es ist nicht dran zu denken, mit einem Mähdrescher aufs Feld zu kommen." In seinem Bereich sind etwa 160 Hektar, Weizen und etwas Roggen, nicht geerntet. Auch Gramzow rechnet mit erheblichen Einbußen - hinsichtlich der Qualität des Getreides und der Menge. Er spricht von 30 bis 40 Prozent: "Das ist heftig für das Unternehmen." Und vom allgemeinen Problem der Nässe auf den Feldern. Wochenlang sahen die wie Seen aus. Die jetzt präsentierten ersten Ergebnisse der Arbeitsgruppen nennt Gramzow ernüchternd. Er weiß: "Die Gräben müssen in Ordnung gebracht werden."

Hans-Joachim Harm läuft an einem Graben entlang. Möglich ist das dem Vorstandsvorsitzenden vom Landgut "Heideck" Purzien nur in Gummistiefeln. Der Regen hat Flächen unter Wasser gesetzt. Der Graben ist nahezu randvoll. Die Ursache sieht Harm nicht allein in den 75 Litern je Quadratmeter, die gefallen sind. Der Graben ist verkrautet, kritisiert er, das Wasser könne auch nur zögerlich in den Neugraben abfließen, weil auch der an vielen Stellen zugewachsen ist. Angesichts solcher Bilder kann Harm nicht verstehen, dass es aus Sicht des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) im Osten des Landes keine größeren Probleme gibt. "Die Hauptgräben sind so stark zugewachsen, wo soll denn das Wasser hin?" Der Agrarbetrieb ist mehrfach von Hochwasser bzw. extremen Niederschlägen betroffen gewesen, am härtesten nach dem Deichbruch 2010. Dass nach den dramatischen Ereignissen wieder so eine schwierige Lage eintritt, löst Fragen aus. Viel sei über Vorhaben nach den Rekordpegelständen in der Schwarzen Elster gesprochen worden, aber wenn das Wasser wieder überall stehe, vermittle das den Eindruck, als sei nichts geschehen. Die Sorgen der Anlieger des Neugrabens sind Flussbereichsingenieur Jörg Herrmann vom LHW bekannt. Vor einigen Tagen wurde ein Abschnitt gereinigt. Mit dem beauftragten Unternehmen laufen Absprachen, dass vorfristig begonnen wird. "Wir arbeiten derzeit schwerpunktmäßig", sagt Elke Sebastian, Geschäftsführerin des Unterhaltungsverbandes "Schwarze Elster". Am Montag hätten Arbeiten bei Purzien im Plan gestanden, die mussten verschoben werden, weil Gräben dort zu räumen waren, wo Wohnlagen in Gefahr gerieten.

Harm sieht auf Wirtschaft und Bürger erhebliche Schäden zukommen. Es heißt, dass einige wieder Wasser im Keller haben. Das Land werde nicht umhin können, mehr Geld in die Hand zu nehmen. So kommt eine Sorge zur anderen. Der Agrarbetrieb hat noch auf 250 Hektar Getreide zu stehen. Harm hofft, dass die Ernte gelingt, wenn das vorausgesagte schöne Wetter kommt.