Beim Abriss eines uralten Bauernhauses nahe Stift Vorau (Österreich) rollte sie aus dem Schutt: eine rostige Kanonenkugel - darin, zusammengerollt in einer Bohrung, der Plan eines riesigen unterirdischen Labyrinths mit Gängen in alle Himmelsrichtungen ...
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© StockerManchmal weiten sich die Gänge (hier in Unterfranken) zu kapellenartigen Räumen

Inzwischen ist klar, dass dieses Gangsystem sich über ganz Europa erstreckt. Doch die Forscher stehen vor einem Rätsel: Wer hat es angelegt, wofür haben die „Erdmenschen“ ihre Tunnel benutzt?

Prähistoriker Dr. Heinrich Kusch (63, Uni Graz): „Allein in Bayern kennen wir schon 700 dieser Anlagen, bei uns in der Steiermark 350. Europaweit dürften es mehrere Tausend sein - von Schottland im Norden bis zum Mittelmeer.“

Die gewundenen Gänge, abgerundet wie Wurmlöcher, sind meist nur 70 cm breit - ein Mensch kann sich gerade hindurchzwängen. Manche sind versehen mit Nischen, Bänken, Kammern. Sie sind nicht miteinander verbunden, bilden dennoch ein Netz.

„Holzkohle, die am Boden lag, stammte aus dem 10. bis 13. Jahrhundert. Das zeigten Labortests“, so Dr. Kusch. „Die Gänge selbst könnten sehr viel älter sein. Manche glauben, noch aus der Jungsteinzeit - seitdem wurden sie erweitert und ausgebaut.“

Zwei Thesen diskutieren die Forscher:
  • Die Tunnel dienten als symbolische Gräber: Slawische Siedler legten sie als neue Heimat für die Seelen ihrer Verstorbenen an - die Leichname hatten sie im Osten zurückgelassen, fürchteten deshalb die Rache der Toten.
  • Die Tunnel (häufig unter Burgen und Bauernhäusern) waren geheime Verstecke: Im Mittelalter flohen Menschen vor Überfällen hinein, waren für Räuber und Soldaten plötzlich unsichtbar.
„Wir finden wöchentlich neue Gänge“, so Forscher Dr. Kusch gestern zu BILD. „Doch die Wissenschaft steht noch ganz am Anfang.“ Experten glauben: 90 Prozent der Tunnel sind noch gar nicht entdeckt ...