Blender. Zucker, Lakritz, Cola - kalorienhaltige Gaumenfreuden, auf die viele der schlanken Linie zuliebe verzichten oder nur in Maßen zurückgreifen. Doch gegen die Kalorien ist ein Kraut gewachsen, sagt Gärtnermeister Heinfried Thöle (52) aus Einste-Blender. Rund 100 verschiedene Kräuter führt er in seinem Sortiment.

An der Grundausstattung mit Petersilie, Schnittlauch, Basilikum und Minze führt auch bei ihm kein Weg vorbei. "Aber leuchtende Augen bekommen meine Kunden, wenn ich ihnen etwas Ausgefallenes zeigen kann." So wie Lakritztagetes. "Zwei Mädchen waren neulich total fasziniert, als ich ihnen erzählt habe, dass die Blätter wie Lakritz schmecken. Sie haben es erst geglaubt, nachdem sie es selbst probiert hatten und gleich ihr Taschengeld zusammengekratzt, um eine Pflanze zu kaufen."

Sein persönlicher Favorit ist die Schokominze: "Die schmeckt wie After Eight." Sehr gut komme auch das Cola-Kraut an, dessen ätherische Öle beim Reiben der Blätter einen intensiven Cola-Geruch verbreiten. "Die unteren Triebe sind bitter, aber aus den Spitzen kann man sich einen Tee mit Cola-Geschmack machen", verrät der Gärtnermeister.

Viele seiner Kräuter haben aber weit mehr zu bieten, als nur einen guten Geschmack. So helfe Andorn gegen Husten, während Mädesüßblätter im Teewasser mit dem Wirkstoff des Aspirins gegen Kopfweh Anwendung fänden. Und wer im Winter mit einem Aufguss aus Zitronen-Eukalyptusblättern inhaliere, "dem bläst es die Nase frei". Vielversprechend klingt auch der Name "Kraut der Unsterblichkeit". Es stammt aus China. Laut Thöle aus einer Region, in der viele über Hundertjährige leben. "Darin ist ein Wirkstoff ähnlich dem der Ginsengwurzel enthalten. Es wirkt cholesterinsenkend."

Statt Medikamente zu nehmen, habe ein Freund sich die Blätter morgens regelmäßig ins Müsli geschnibbelt, nachdem ein Arzt ihm einen zu hohen Cholesterinwert bescheinigt hatte. "Tatsächlich waren seine Werte nach ein paar Wochen nur noch leicht erhöht", berichtet der Kräuterexperte. Das Kraut sei sehr robust, lasse sich drinnen wie draußen halten und sei bis minus 15 Grad Celsius winterhart. "Es entwickelt meterlange Ranken", sagt Thöle, der die rund 25 Zentimeter hohen Pflanzen für 3,49 Euro das Stück verkauft. Sein teuerstes Kraut ist der hängende Rosmarin für 5,99 Euro. "Den habe ich aber nur gelegentlich im Angebot", sagt Thöle.

Eine weitere, weitgereiste Pflanze ist das Süßkraut, auch Stevia genannt, das aus Südamerika stammt. "Die Blätter sind zehn bis 15 Mal süßer als die gleiche Menge Zucker. Allerdings darf ich es nur als Zierpflanze verkaufen, weil es in der Europäischen Union noch keine Zulassung als Lebensmittel hat." Es gebe allerdings Bestrebungen, dass sich das bis zum Jahresende ändert. Bisher sei die Zuckerindustrie stark dagegen. "Es grassiert sogar das Gerücht, dass Stevia die Männer impotent macht. Aber wenn das wahr wäre, müsste Südamerika schon ausgestorben sein", sagt der 52-Jährige schmunzelnd.

Er hätte wohl selbst nicht gedacht, dass sich aus einigen anfänglichen Kräuterproben vor sechs Jahren eine derartige Leidenschaft für deren Wirkungsweise entwickeln würde. Ursprünglich waren Thöles Großvater und Vater mit Pferd und Wagen und etwas Gemüse zum Wochenmarkt gepilgert. Nebenbei gab es ein wenig Landwirtschaft mit acht Milchkühen. Als Heinfried Thöle sich im Alter von rund 14 Jahren allmählich für einen Beruf entscheiden musste, lief es auf die Gärtnerei hinaus. Zum Gemüse kamen Schnittblumen und Gartenpflanzen hinzu, "bis das Gemüse irgendwann nicht mehr lohnte. Außer Tomaten - da habe ich die besten nördlich der Main-Linie", gibt er sich selbstbewusst. Als ihm ein Staudenlieferant vor sechs Jahren auch ein paar Kräuter brachte, war der Grundstein zur jetzigen 100-Sorten-Zucht gelegt. "Zum Teil vermehre ich die Kräuter selber, andere kaufe ich erstmal nur dazu, um zu sehen, ob es einen Markt dafür gibt", sagt Thöle.

"Dabei waren Kräuter vor 20 Jahren fast ganz weg aus dem Bewusstsein." Doch der Wellnesstrend und Kochsendungen hätten ihnen den Weg zurück in die deutschen Gärten bereitet. So sei Wasserpfeffer ein beliebter Scharfmacher, der den Geschmack des Essens nicht verfälsche, und Knobi-Gras eine willkommene Alternative zum Knoblauch, weil damit gewürztem Essen zwar der Geschmack, nicht aber der penetrante Geruch anhafte. "Die Menschen wollen wieder gesünder kochen und auch nicht immer gleich zur Apotheke rennen. Oft fragen mich Kunden nach speziellen Kräutern, da muss ich erstmal selbst recherchieren, woher sie stammen, was sie nützen und ob ich sie irgendwo bekommen kann. Denn über 1000 Kräuter auf der Welt kann man nicht alle kennen."

Das Fernsehen sei zum Teil aber auch schlecht fürs Geschäft, berichtet Thöle. "In Gartensendungen fahren die fast immer zum Baumarkt. Die Leute kennen das ja schon gar nicht mehr mit einer Gärtnerei." Überhaupt machten Baumärkte den kleinen Betrieben das Leben schwer. "Die haben ihre Lockangebote und lassen die Leute glauben, alles wäre günstiger. Dabei sind die meisten Produkte dort sogar teurer als in einer Gärtnerei. Und Qualität und Beratung stimmen häufig auch nicht", sagt Thöle.

Er und seine Tochter Michaela (19) stehen den Kunden auch weiterhin montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr sowie samstags von 9 bis 13 Uhr mit Rat und Tat zur Seite. Fragen beantwortet er unter Telefon 04233/739.