Nach Ansicht der US-Regierung hat die syrische Luftwaffe einen Chemiewaffen-Angriff in der Region Idlib geflogen. Auch der türkische Justizminister Bekir Bozdag beeilte sich, den syrischen Präsidenten Assad für den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich zu machen. Verwiesen wird dabei auf eine Autopsie durch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Doch deren Sprecher Tarik Jasarevic erklärte gegenüber RT Deutsch, dass die Organisation gar nicht an der Autopsie beteiligt war.
idlib opfer
Eine 14 Jahre alte Syrerin namens Mariam Abu Khalil äußerte sich gegenüber der New York Times. Demnach habe sie ein Flugzeug gesehen, das eine Bombe auf ein einstöckiges Haus abwarf. Danach habe die Explosion eine gelbliche Wolke erzeugt. Die Substanz habe ihr in den Augen gebrannt:
"Es war wie Winternebel", äußerte die 14-Jährige.
Anschließend verbarg sie sich in ihrem Elternhaus. Sie erinnere sich daran, dass die ersten Helfer die am Ort des Geschehens eintrafen, „das Gas inhalierten und starben“.

Örtliche Ärzte und Sicherheitskräfte beschrieben die Symptome. Demnach klagten die Menschen über gerötete Augen, verengte Pupillen, blau verfärbte Haut und Lippen, sowie Kurzatmigkeit. Die Toten seien erstickt und hätten Schaum vor dem Mund gehabt.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO), weisen alle Symptome auf einen chemischen Stoff hin. Weiter erklärte die Organisation:
Einige Fälle scheinen zusätzliche Zeichen einer Freisetzung einer organophosphatmetaboliten chemischen Verbindung aufzuweisen. Dabei handelt es sich um eine Kategorie von Chemikalien zu denen auch Nervengase zählen.
Am Donnerstag erklärte der türkische Justizminister Bekir Bozdag laut einer Meldung der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, dass eine Autopsie von drei Opfern des syrischen Angriffs ergeben habe, dass Chemiewaffen eingesetzt worden seien. Der Minister ergänzte zudem, die Untersuchung habe ergeben, dass die entsprechenden Chemiewaffen von der syrischen Führung eingesetzt wurden. Die Autopsie fand demnach in der südtürkischen Provinz Adana statt und wurde, so Bozdag, von Vertretern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt:
Auf Anfrage von RT Deutsch erklärte ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation,Tarik Jasarevic, jedoch, dass nur ein WHO-Vertreter vor Ort gewesen sei, dieser aber nicht aktiv an der Autopsie teilgenommen habe.
"Wir können die Ergebnisse der Autopsie nicht bestätigen," erklärte Jasarevic gegenüber RT Deutsch.
Doch deutsche Medien wie etwa tagesschau.de, haben die Äußerungen Bozdag bereits unhinterfragt übernommen:
Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen hatten die Untersuchung vorgenommen und kamen demnach zu einem übereinstimmenden Ergebnis. Bozdag sagte laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Anadolu, die Untersuchung habe zudem ergeben, dass die Chemiewaffen von der syrischen Führung von Machthaber Bashar al-Assad eingesetzt wurden.
Aufgrund der nach wie vor unklaren Sachlage warnt die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) eindrücklich vor voreiligen Schlüssen aufgrund der bisherigen Berichte. Laut der Organisation sei eine Untersuchung damit befasst, Informationen aller zur Verfügung stehenden Quellen zu sammeln und zu analysieren.

Ein Krankenhausarzt der syrischen Stadt Sarmin, der einige Opfer behandelte, glaubt jedoch zu wissen, dass es sich um das Nervengas Sarin gehandelt haben muss. Nachdem er ihnen ein Gegenmittel für Sarin-Vergiftungen verabreichte, hätte sich deren Verfassung stabilisiert.
Die syrische Regierung weist den Einsatz chemischer Kampfstoffe in Khan Sheikhoun derweil kategorisch zurück und fügte hinzu, dass das syrische Militär „diese noch nie, nirgendwo eingesetzt habe und dies auch in Zukunft nicht tun werde.“
Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass zwischenzeitlich selbst von Skeptikern von einem „Luftangriff mit Giftgas“ gesprochen wird. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums habe die syrische Luftwaffe zwischen 11:30 - 12:30 Uhr einen Angriff auf Khan Sheikhoun geflogen. Das Ziel war demnach ein „großes Waffendepot von Terroristen“ im östlichen Teil des Ortes:
Auf dem Territorium des Depots befanden sich Werkstätten, die chemische Kampfstoffe produzierten. Von dort aus transportierten Terroristen chemische Munition auf das Territorium der Türkei.