© Illustration: Bob Wilder/University at Buffalo
Bei den Europäern haben die Neandertaler »mitgemischt« - etwas Ähnliches zeichnet sich nun auch im Fall Afrikas ab, berichten Forscher: Die Evolutions-Geschichte eines Speichel-Eiweißes lässt vermuten, dass eine archaische Menschenform ihr Erbgut im Stammbaum von Menschen südlich der Sahara hinterlassen hat. Um welche Spezies der Gattung Homo es sich gehandelt haben könnte, bleibt allerdings unklar.

Aus Studien der letzten Jahre geht bereits klar hervor: Es gab fruchtbare Techtelmechtel zwischen dem modernen Menschen und seinen einst noch parallel existierenden Cousins. Als der Homo sapiens vor etwa 50.000 Jahren aus Afrika nach Europa und Asien kam, vermischte er sich demnach mit den dort lebenden Menschenformen - mit den Neandertalern beziehungsweise Denisova-Menschen. Von diesen Kreuzungen zeugen ein paar Prozent von »archaischer« DNA im Erbgut der Menschen außerhalb Afrikas. Die bemerkenswerte Stabilität des Erbmaterials bildete die Grundlage dieser Erkenntnisse: Es ist möglich, fossilen Überresten genetisches Material zu entlocken, das sich für Analysen und Vergleiche eignet.

Einem Speichel-Eiweiß-Gen auf der Spur

Bei der aktuellen Studie ist die Geschichte allerdings ganz anders: Die Forscher um Omer Gokcumen von der University of Buffalo gelangten zufällig zu ihren Schlussfolgerungen. Eigentlich waren sie der Funktion und der Evolutionsgeschichte eines menschlichen Speichel-Eiweißes auf der Spur: des MUC7-Proteins. Es verleiht Speichel die schleimige Konsistenz und ist damit vermutlich an Schutzfunktionen gegenüber Krankheitserregern beteiligt. Für die Herstellung des MUC7-Proteins ist wiederum eine Erbanlage verantwortlich, die beim Menschen interessante Variationen aufweist, berichten die Forscher. Um diesen Formen nachzugehen, analysierten und verglichen sie das MUC7-Gen in mehr als 2500 modernen menschlichen Genomen aus allen Teilen der Welt.

Diese Analyse führten zu dem überraschenden Ergebnis: Eine Gruppe von Genomen aus der Subsahara-Region Afrikas weist eine Version des Gens auf, die sich aus genetischer Sicht geradezu unerklärlich stark von denen aller anderen modernen Menschen unterscheidet. "Auf der Grundlage unserer Analyse ist die plausibelste Erklärung für diese extreme Variation die sogenannte archaische Introgression - die Einführung von genetischem Material ins Erbgut von modernen Menschen aus einer Spezies von archaischen Menschen", erklärt Gokcumen.

Signatur einer »Geister-Spezies«?

Angesichts der Rate, mit der Gene im Laufe der Evolution mutieren, konnte das Team auch Rückschlüsse darüber gewinnen, wann das seltsame MUC7-Gen eingekreuzt wurde. Demnach scheint es vor etwa 150.000 Jahren zu der Vermischung zwischen den Vorfahren der heutigen Sub-Sahara-Populationen und der mysteriösen Menschenart gekommen zu sein, die dort damals offenbar noch parallel existierte. Vermutlich unterschieden sich die beiden Vertreter der Gattung Homo deutlich: Wie weitere genetische Hinweise nahelegten, trennten die beiden Menschenformen etwa 1,5 bis 2 Millionen Jahre der Evolution.

Damit steht natürlich die Frage im Raum: Wer waren diese menschlichen Wesen? "Sie könnten zu einer Art gehört haben, die wir kennen - beispielsweise eine Unterart des Homo erectus", sagt Gokcumen. "Oder es handelte sich um eine bisher unbekannte menschliche Spezies. Weil wir es nicht wissen, nennen wir sie die Geister-Spezies", so der Wissenschaftler.

Natürlich bedürfen die Ergebnisse nun weiterer Nachforschungen - man darf aber gespannt sein, wie es mit dieser interessanten Geschichte weitergeht.

Quelle: Martin Vieweg für bild der wissenschaft