Unbekannte zündeten in bürgerlichen Vierteln der Hauptstadt die dritte Nacht in Folge zahlreiche Autos an. Seit Beginn der Woche wurden 35 Autos angezündet. Die Polizei tappt bei den Ermittlungen im Dunkeln.
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© REUTERS (TOBIAS SCHWARZ)

Berlin/Wien. Mutig, wer sein Auto in Berlin derzeit auf offener Straße parkt: Bereits zum dritten Mal in Folge zogen unbekannte Brandstifter am frühen Donnerstagmorgen scheinbar in Scharen los und setzten zahlreiche Fahrzeuge in Brand. Schon kurz nach Mitternacht gingen die ersten Anrufe bei der Polizei ein, im Viertelstundentakt folgten immer weitere Meldungen. Polizei und Feuerwehr kamen kaum hinterher. Als sie die Tatorte schließlich erreichten, waren die Täter stets längst über alle Berge.

Insgesamt neun Fahrzeuge in den Stadtteilen Charlottenburg, Tiergarten und Neu-Hohenschönhausen gingen in Flammen auf; drei weitere Fahrzeuge wurden beschädigt, als das Feuer auf sie übergriff. Seit Beginn der Woche wurden damit 35 Autos angezündet, verletzt wurde bisher niemand.

Wer aber sind die Täter, die sich Nacht für Nacht unbemerkt derart an fremdem Eigentum vergehen? Erst ging die Polizei - die Ermittlungen leitet der Staatsschutz - wie bei solchen Delikten üblich von Kriminellen im linksextremen Milieu aus. Die Anschläge passierten nämlich meist in bürgerlichen Bezirken, zudem wurden (bis auf einen Lkw, einen Wohnwagen und einen Roller) vorwiegend teure Autos deutscher Marken wie Mercedes, BMW und Audi beschädigt.

Der Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, vermutet hingegen vor allem Nachahmungstäter: „Das sind vermutlich actionorientierte junge Männer, die mangelnde Erfolge im realen Leben kompensieren wollen.“

Zusammenhang mit Krawallen in London?

Es sei unsicher, ob hinter ihrem Handeln überhaupt politische Motive steckten. Pfeiffer glaubt vielmehr an einen Zusammenhang zwischen dem extrem starken Anstieg derartiger Feuerattacken auf Autos in Berlin und den Krawallen in London vergangene Woche: Das Anzünden von Autos verschaffe den Berliner Brandstiftern wie den Attentätern in London ein „Gefühl der Macht“, weil sie die Polizei „austricksen“ könnten.

Trotz des starken Anstiegs der Brandstiftungen (das Phänomen ist in Berlin nicht ganz neu, schon im Vorjahr wurden insgesamt 54 Wagen angezündet, 2011 waren es bisher bereits etwa 150) lehnt der zuständige Innensenator Ehrhart Körting die Einrichtung einer polizeilichen Sonderkommission ab, die CDU-Landeschef Frank Henkel gefordert hat. Das Landeskriminalamt habe eine Abteilung, die sich mit Brandanschlägen befasse; zudem seien hundert zusätzliche Beamte im Einsatz. Köhrting räumte jedoch ein, dass es in einer Großstadt wie Berlin mit über einer Million Autos und rund 5000 Kilometern Straße sehr schwer sei, die Täter auf frischer Tat zu ertappen. Nun hofft man mithilfe einer Belohnung von 5000 Euro auf Hinweise aus der Bevölkerung.
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© Polizei Berlin/Die Presse

„Wir brauchen abschreckende Urteile“

Wie in London, wo die Justiz besonders harte Urteile gegen die Plünderer und deren Anstifter gefällt hat, fordert Polizei-Gewerkschaftschef Rainer Wendt auch in Berlin ein hartes Durchgreifen - sollten die Täter gefasst werden: „Wir brauchen abschreckende Urteile“, sagte er. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz nannte die Brandstiftungen gar „Vorstufe zum Terrorismus“. Würden die Täter nur leicht bestraft, sei das eine Animation zu Schlimmerem. Kanzlerin Angela Merkel verurteilte die Anschläge scharf: „Menschenleben werden kaltblütig aufs Spiel gesetzt.“

Ag./Aga.